Laurent Lecatelier – Mastermind von BALORAN

Besuch bei BALORAN – bekannt durch den Synthesizer THE RIVER. Eine ideale Gelegenheit, rumpelige belgische Autobahnen, den flachen Nordosten Frankreichs und die wunderbare Gastfreundschaft von Laurant Lecatelier kennen zu lernen. Wir haben den Inhaber von BALORAN sogleich um ein kleines Interview gebeten …

GS: Hallo Laurent. Wir würden gerne mit einer simplen Frage zu deinem Synthesizer beginnen. Warum „THE RIVER“? Der Name ist etwas ungewöhnlich … Der Fluss … Im Sinne einer musikalischen Fortbewegung, einer Strömung?

Laurent Lecatelier: Das wäre ein hübsches Bild, aber nein – der Ursprung des Namens liegt wo anders. Vor vielen (sehr vielen) Jahren entdeckte ich meine Zuneigung zum Moog THE SOURCE … nun, und diese „Quelle“ wurde vervielfacht und Basis meines Instruments. Mehrere Quellen ergeben etwas Größeres, daher nun eben der Name Der Fluss – THE RIVER – die vielfache / polyphone Version des monophonen Moog-Synthesizers.

Ein vollwertiger 8-stimmiger Analogsynthesizer mit vernünftiger Tastatur, Multitimbralität und einem umfassenden Sequenzer – das ist ein enormes Projekt. Erzähle uns bitte etwas über die Entstehungsgeschichte von THE RIVER …

Alle meine Projekte sind anfänglich von sehr persönlichen Bedürfnissen motiviert. So auch hier. Zwar spiele ich seit vielen Jahren Keyboard, bin quasi ein So-La-La Keyboarder, stoße allerdings immer rasch an die Grenzen meiner musikalischen Ausdrucksfähigkeit. Für Keyboarder wie mich braucht es also Hilfestellungen, um die gewünschte Expressivität zu erzielen. Das ist der eine Punkt, der gedanklich zu diversen Spielhilfen und angedachten Möglichkeiten von THE RIVER führte.

Der andere Punkt ist die zufällige Verknüpfung meiner beruflichen Erfahrungen im technischen Bereich bzw. in der Software-Programmierung und meiner musikalischen Leidenschaft. Diese Situation bescherte mir von Anfang an die wunderbare Freiheit, ganz alleine ein Projekt der Größenordnung von THE RIVER umzusetzen. Denn das vereinfachte die Dinge enorm. So konnte ich alle Details – von der Konzeption zur Umsetzung der Hardware inklusive Programmierung der Software – alleine bewerkstelligen und war nicht auf externe Spezialisten angewiesen. Auch wenn jeder Spezialist in seinem Bereich deutlich besser gewesen wäre als ich, das ist klar.

Zugegeben: Das Projekt selbst hat sehr primitiv begonnen. Vor Jahren, als ich meinen Moog THE SOURCE reparierte, zog ich dessen Schaltplan hervor und da war diese Idee im Kopf, eine mehrstimmige Version des Instruments zu bauen. Ich habe diese Idee im französischsprachigen Forum Anafrog – eine sehr netten Community übrigens – diskutiert. Wenn ich heute meine Worte von damals lese, stelle ich fest, dass ich mich nicht weit von meinen ersten Ideen entfernt habe: Das Wesentlich war von Anfang an da.

Dann arbeitete ich nach funktionalen Gesichtspunkten, nach Paketen. Hier die Soundkarten, die einzelnen Stimmen. Dort die digitale Steuerung des Instruments. Dann noch die Effekt-Einheit als separates Projekt – THE TRIKO. Mit diesem Gerät, das als 19“ Studio-Effektgerät auf den Markt kam, finanzierte ich die restlichen Bestandteile von THE RIVER, allem voran den RIVERKEY, die tatsächliche Steuerzentrale rund um Keyboard / Stimmenzuweisung / Multitimbralität / Sequenzer / MIDI / USB und CV/Gate. Das alles ergab in Summe THE RIVER.

Die Fertigungshalle, in der THE RIVER gebaut wird, ist ein Gartenhäuschen von wenigen Quadratmetern Grundfläche. Wie kam es zu dieser besonderen Produktionsstätte?

Meine Frau Tamara musste mehrere Jahre lang mit ansehen, wie ich viele meiner Arbeitsstunden im Haus in der Hocke sitzend (!) verbrachte. Einfach deshalb, weil die Werkstatt zu klein war und kaum genug Platz bot für all das Werkzeug „und“ den Prototypen des THE RIVER. Doch um es anders zu sagen, ich bin ehrlich: Eine sehr gut organisierte Person hätte das schon hinbekommen, aber nicht ich, egal. So habe ich mich zwangsläufig rasch im gesamten Haus ausgebreitet. Und das war natürlich keine gute Lösung.

Nun haben wir diesen schönen, großen Garten vor der Türe. Also war die Idee schnell auf dem Tisch, die Werkstatt vom Haus zu trennen. Die Ausführung dieser Idee hat uns dann einen ganzen Sommer Zeit gekostet. Und da steht es nun, das Gartenhäuschen, die „Fabrik“. Übrigens: Was die etwas eigenartige Farbgebung betrifft, dafür kann ich nichts! Ich habe Holzlasur und eine Maschine gekauft, die Anleitung gelesen, nun ja … und irgendwie … so sieht es eben nun mal aus :o)

Ist THE RIVER zur Gänze „Made In France“?

Das Instrument wird komplett von meiner Firma BALORAN zusammengebaut. Doch die Teile kommen von überall her. Das Gehäuse stammt aus Frankreich, die schönen spezifischen Netzteile aus Rumänien. Für die erste Serie von THE RIVER (2018) wurden die PCBs in China hergestellt. Alle Komponenten, alle Panele und Netzteile werden von Baloran montiert.

Bei der neuen Auflage wird sich da nun Einiges ändern. Ein Teil der Vorproduktion verlässt China. Ich habe in Lettland einen sehr kompetenten Partner gefunden, der 95% aller Voice Cards und aller benötigten Kabel von THE RIVER herstellt. Zur Information: Dieser Partner gibt auch die neue Komponentenserie von CEM-Chips und OTAS usw. heraus. Eine recht gute Partnerschaft also.

Wie viele Personen sind nun am Unternehmen beteiligt? Wird THE RIVER ausschließlich von Laurent Lecatelier gebaut?

Das gesamte Design ist zu 100% von mir, sowohl elektronisch als auch mechanisch und betreffend Software. Ein Freund hat mir grafische Unterstützung gegeben, so wie überhaupt einige Freunde geholfen haben – speziell für das Sound-Design. Da sie ja auch Benutzer und Musiker sind, bringen sie mich auf andere Sichtweisen und Ideen.

Ich hatte einige Monate „einen“ Angestellten, um die erste Charge von THE RIVER zusammen zu bauen. Zu dieser Zeit hatte ich auch einen zeitraubenden Hauptberuf (Computer-Wissenschaft), nun … und so waren die Wochen und Monate sehr intensiv. Doch jetzt arbeite ich zur Gänze nur noch an meinen Projekten – Vollzeit BALORAN, sozusagen.

Nun, da THE RIVER am Markt ist und schon auf mehreren Kontinenten zum Einsatz kommt. Wie bist du mit dem Ergebnis zufrieden? Sind deine Erwartungen erfüllt worden?

Ich will kein Egomane sein, aber ja: Ich bin sehr glücklich mit THE RIVER. Nicht nur als persönlicher Erfolg, vor allem auch aus musikalischer Sicht. Ich verbringe immer noch viele Stunden damit, das Ausmaß der Klangmöglichkeiten zu erforschen. Und Rückmeldungen von Usern – wie von dir – zeigen, dass die Musikalität des Instruments enorm ist.

Es dauert zwar, um sich am THE RIVER einzuarbeiten (Ergonomie, Benutzerführung, Hardware), denn es ist immer noch ein komplexes Instrument, doch eben zugleich ein Instrument, das man „nicht“ in einer halben Stunde zur Gänze entdeckt – und damit „abgehakt“ – hat. Eher ein Lebenspartner, etwas für eine längere Beziehung.

Gab es Probleme bei der Realisierung des Projekts?

Ja und Nein. Natürlich gab es so einige Baustellen. Wie zum Beispiel die Stabilisierung der Sprachkarten und die damit verbundenen notwendigen Korrekturen durch Autotune. Weiters das Aufrufen und die Signalverteilung der einzelnen Stimmen im multitimbralen Betrieb. Oder auch die Verwaltung der Tastatur und der Algorithmen zur Neuzuweisung der Stimmen. Das alles hat wohl ein paar meiner grauen Haare verursacht …

Musikalisch betrachtet – was macht THE RIVER aus deiner Sicht so bemerkenswert?

Ich sage das allgemein: Die Musikalität scheint die oberste Qualität dieses Instruments zu sein. Die klassischen Zutaten der Subtraktiven Synthese plus das Effektgerät (The Triko) und die Besonderheiten rund um Keyboard / Sequenzer / Einzelausgänge und MIDI bzw. CV/Gate fügen sich als großes Ganzes gut zusammen.

Es gibt ja viele „Boliden“ in der Synthesizer-Geschichte, wie etwa Yamaha CS-80, Sequential Prophet-5, Moog Memorymoog, Oberheim OB-8, Rhodes Chroma, Elka Synthex … und so weiter. Wie würdest du den THE RIVER Charakter einstufen? Moogisch? Wie ein Oberheim, wie ein Prophet?

Ich liebe all diese großartigen Instrumente und wenn ich könnte, würde ich sie alle sofort kaufen und damit Musik machen. Einmal übernachtete ich bei einem Freund und stand nachts heimlich auf, um einige Extra-Stunden an seinem wundervollen Memorymoog zu verbringen. Und ja, einen Yamaha CS-80 hätte ich natürlich auch gerne. Aber es gelingt mir keine wirkliche Klassifizierung, schon gar nicht, was THE RIVER betrifft. Jedes Instrument hat seinen eigenen Charakter.

Letztes Jahr – 2018 – wurden 20 THE RIVER gebaut. Gibt es aktuell 2019 eine weitere Auflage? 

Ja, es gibt eine weitere Auflage. Die ist schon in Vorbereitung, es läuft gut. Und da die Nachfrage sehr groß ist, werde ich die Produktion wohl etwas erhöhen müssen. Genaueres kann ich aber im Moment nicht sagen …

Stichworte zu weiteren Projekten, die BALORAN in Arbeit hat? Wir sind sehr neugierig …

Es sind andere Projekte vorhanden, von denen ich einige bereits etwas weiterentwickelt habe. Aber nein, nein – keine Details an dieser Stelle. Organisation und Ressourcen … alles muss unter einen Hut gebracht werden. Es wird jedenfalls ein sehr intensives Jahr 2019 …

Synthesizer-Projekte, eine eigene Firma, ein Studio, Familie, Freunde – das klingt nach einem ausgefüllten und wohl auch teils „strengen“ Alltag. Woher nimmst du die nötige Energie?

Nun, privat: Ich habe eine wunderbare und sehr humorvolle Frau – Tamara. Wir haben eine gute Zeit zusammen, das gibt mir Rückhalt. Und beruflich: Die enorme Wertschätzung, die THE RIVER entgegen gebracht wird, die berührt mich sehr. Das bedeutet „Vitamine“ für die Arbeit, das ist Motivation. Alles in allem ist es im Moment eine schöne Phase des Lebens. Ich genieße es!

Vielen Dank für das Interview.


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Kategorie 2019, Interviews

“Es genügt, einen Ton schön zu spielen” sagte der Komponist Arvo Pärt im Jahre 2005. Diese Aussage ist ebenso einfach wie ich auch exzellent: Es braucht kein Meer an Tönen, denn entscheidend ist der Klang. Dass so mancher Vintage-Synthesizer der 70er und 80er Jahre teils unerreicht hochwertige Klänge liefert, steht außer Frage. Doch tatsächlich leben wir “heute” in einer nahezu perfekten Zeit. Einerseits hat man – mehr oder weniger – noch Zugriff auf die Vintage Analogen, andererseits wird auch bei Neugeräten die wichtige Komponente des hochwertigen Klanges wieder zunehmend berücksichtigt. Doepfer, Cwejman, Synthesizers.com, MacBeth, Moog, GRP, Studio Electronics, COTK, John Bowen und andere Hersteller bauen hervorragende Synthesizer, die den “Klassikern” in nichts nachstehen. All diesen (alten wie neuen) “großartigen” Instrumenten ist Great Synthesizers gewidmet. _________________________________________________________ In 2005 composer Arvo Pärt said: “Playing one tone really well is enough”. In other words, it is sufficient to play one tone 'beautifully'. I agree with that. All musical efforts are focused on the sound itself. Although I studied classical music (piano and drums), it’s the electronic sound that inspires me. Synthesizers are the epitome of new sounds and exciting tonal spheres. Today, many companies produce high-quality - excellent! - synthesizers: Doepfer, Cwejman, MacBeth, Moog, GRP, Synthesizers.com, COTK, Studio Electronics, John Bowen and others. It's their products I'm really interested in ... apart from Vintage Synthesizers, which I have been collecting for 20 years. Subsequent to our former websites Bluesynths and Blogasys, Peter Mahr and I have now created GreatSynthesizers. We hope you like it.

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