OB-X8: Der BESTE Oberheim? (Teil 2)

Text: Matt Vrazo, Musik: Stephane Garganigo (Barb)

Zusammenfassung von Teil 1: Der OB-X8 klingt wie ein Vintage Oberheim. Und er hat alle Filter der berühmten Oberheim-Veteranen (MultiMode SEM sowie CEM 3320).

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3) Der OB-X8 und das Meer an Potis

Ja, es gibt einige Menüs, doch haben Sie die Ausstattung an OB-X8 Knöpfen gesehen? Ich habe lange mit dem Oberheim Xpander und dem Matrix-12 gearbeitet. Sie sind Musterbeispiele , wie schön es ist, direkt in den Klang einzugreifen und am Instrument zu schrauben. Das könnte nun auch für den OB-6 gelten, allerdings sind viele seiner Regler bipolar und haben auch starke Nullpunkte, so dass man sich schwer tut, minimale Modulationsvorgänge einzustellen.

Oberheim OB-X8

Stattdessen gehen die Modulationen (wie schon in Teil 1 betreffend Verstimmung beschrieben), oft in nur wenigen Schritten von Null auf MAX, was musikalisch nicht gerade besonders nützlich ist. Das Programmieren auf diese Weise – wir sprechen noch immer vom OB-6 – erfordert derart viel Geduld (und Fehlschläge), dass es kaum noch sinnvoll erscheint, mit den Reglern am Instrument zu arbeiten …

Mit der Xpander-Benutzeroberfläche hatte ich hingegen keine Probleme. Sie ist wahrscheinlich die beste Implementierung einer Multi-Menü-Benutzeroberfläche, die je entwickelt wurde (der John Bowen Solaris folgt dabei an zweiter Stelle). Allerdings bleibt dennoch ein Manko: Da man nicht alle Funktionen direkt vor Augen hat, vergisst man schnell, dass sie überhaupt vorhanden sind. Nur bei jedem 4. oder 5. Patch am Xpander / Matrix-12 dachte ich vielleicht daran, Glide/Portamento hinzuzufügen. Vibrato LFO?! Ach ja!

Stichwort Vibrato-LFO: Eine der am wenigsten diskutierten, aber möglicherweise wichtigsten Neuerungen des OB-X8 ist der programmierbare Vibrato-LFO. Wow, was für ein Unterschied für die Erstellung von Klängen (wo der Haupt-LFO naturgemäß für Filter/PWM/VCA zuständig bleibt). Wenn ich zwischen dem dumpferen Sound des OB-8 (den ich wirklich liebe) und dem etwas helleren Sound OB-X8 und seinem programmierbaren LFO wählen müsste, würde ich mich immer noch für den OB-X8 entscheiden. Und das habe ich getan …

Oberheim OB-X8

Generell ist der OB-X8 in der Modulationsabteilung hervorragend, denn er verfügt über die gleichen Page 2 Funktionen wie der OB-8 und darüber hinaus über einige neue Extras. Zugegeben, ich habe die Page 2 Modulationsfunktionen beim OB-8 nie als besonders nützlich empfunden. Sie konnten einige – für die damalige Zeit – sehr clevere Effekte zaubern und einem Sound etwas mehr Dynamik verleihen, aber für mich wurde der Kernsound immer mit den Reglern auf der Frontplatte, also quasi auf Page 1, erreicht. Nun gibt es beim OB-X8 ein eigenes Menü für die Page 2 Funktionen, was sie tatsächlich sinnvoller und greifbarer macht. Den tatsächlichen Wert für Mod1-Delay oder Attack-Time zu „sehen“, ist viel einfacher, als zu versuchen, ihn erst zu „hören“, bevor man ihn durch Drehen eines Reglers einstellt (oder komplett verstellt).

Und jetzt, da LFO 2 programmierbar ist, werden auch einige der anderen „cleveren“ LFO-Funktionen besser zugänglich. Nein, man kann einem Oszillator nicht 5 LFOs zuweisen (wie beim Xpander), aber ähnlich wie beim OB-8 hatte ich immer das Gefühl, dass ein Großteil der Leistungen von Xpander/Matrix-12 eher auf Studiotricks in den 80er Jahren zurückzuführen waren (als vielbeschäftigte Session-Musiker in der Lage sein mussten, Sounds schnell zu modifizieren), als auf den Versuch, wirklich „modular“ zu sein. Das Fehlen von Audio-Rate-LFOs oder schnellen Hüllkurven war immer ein großer Nachteil des Xpanders, so dass er im Grunde nicht viel leistungsfähiger war als ein OB-8, wenn man die FM- und Filter-Fülle weglässt.

Oberheim OB-X8

4) Der Oberheim OB-X8 ist NEU

Zweifelsohne mag mein Gedanke für etwas Schmunzeln sorgen, aber es ist unglaublich schön, einen Oberheim einzuschalten, ohne zuerst zu denken: „Welches Detail wird heute nicht richtig funktionieren?“ Oberheim- und Sequential-Synthesizer hatten nicht nur einen amerikanischen Sound, sie waren auch amerikanisch gebaut.

Das bedeutet, dass die Fertigungsqualität montags und freitags mehr gelitten hat, und selbst dann war die Qualitätskontrolle zur Wochenmitte nicht felsenfest. Außerdem scheinen viele dieser Geräte den Schrecken feuchter Keller erlebt zu haben. Meine Erfahrung ist auch, dass sie, selbst wenn sie anfangs gut funktionierten, nach 10 Jahren, in denen sie Staub, Feuchtigkeit und verrottenden Gehäuseschaum (in einem Case) aufgesaugt haben, tatsächlich nie wieder zu 100 % funktionierten, auch nicht nach umfangreichen Reparaturen. Da hingegen war meine Erfahrung mit japanischen Synthesizern (Yamaha/Korg) ganz anders, die, obwohl sie buchstäblich größtenteils verrostet waren, sich immer noch einschalten und gut spielen ließen.

Aber IHR Vintage OB-Synthesizer hat die meiste Zeit seines Lebens in einem Studio gestanden, wurde verwöhnt, geliebt und ständig gespielt? Nun, die Knöpfe sind wahrscheinlich dennoch schwergängig, ein Poti reibt irgendwo am Gehäuse, die Regler haben nicht dasselbe gleichmäßige Drehmoment, die Tasten sind uneben, die Buchsen zerschossen, das Autotune versagt gelegentlich (wenn das Instrument lange Zeit nicht gespielt wurde) … und es gibt Lautstärkeunterschiede zwischen den oberen und unteren Stimmkarten, die der Techniker nicht beheben kann? Alles möglich … und interessant, dass der letzte Punkt ironischerweise zeitlos scheint, denn auch der OB-X8 litt anfangs unter dem Problem der unterschiedlichen Voiceboard-Lautstärken.

Oberheim OB-X8

In Anbetracht der vielen Dinge, die bei einem Vintage Oberheim Synthesizer Probleme verursachen können, ist es jedenfalls ein echter Segen, dass man den OB-X8 ohne jegliche Befürchtung rund um technische Gebrechen einschalten darf.

5) Das Instrument ist leistbar (!)

Diese OB-X8 Abhandlung sollte sich ausschließlich auf das Gerät selbst konzentrieren, aber im Jahr 2023 ist es unmöglich, den Preis von Vintage-Synthesizern nicht zu erwähnen. Gegenwärtig muss man für ein Gerät der „alten OB“-Familie oder für einen Two-Voice (Pro) nicht weniger als 6-10.000 Euro ausgeben. Nochmals das Doppelte für ein Four-Voice (und einen Eight-Voice bekommt man ohnehin nicht zu Gesicht). Ich will nur andeuten, dass diese Preise in keiner Weise den besonderen Klang widerspiegeln, sondern eher den Sammlerstatus oder das Investitionspotenzial. So gesehen gibt es kein Szenario, in dem die hohen Vintage-Preise im Vergleich zu dem, was für einen OB-X8 zu zahlen ist, gerechtfertigt wären.

6) Alles perfekt am OB-X8? Nun, beinahe …

Gut … dann ist also beim OB-X8 alles perfekt? Nein, es gibt zwei Dinge zu erwähnen. Erstens: Die Oszillatoren sind ab und an phasenstarr. Für diejenigen, die es noch nicht erlebt haben, ist Phase-Locking die ungewollte Gleichschaltung von zwei Oszillatoren, die sich auf zufällige Weise zueinander „synchronisieren“ (als ob die Sync-Funktion eingeschaltet wäre). Bei manchen Synthesizern bleiben die Oszillatoren in diesem phasenstarren Zustand so lange, bis man sie deutlich verstimmt, bei anderen Synthesizern driften sie von selbst auseinander. Der Grund, warum phasenstarr keineswegs wünschenswert ist, liegt darin, dass diese Stimmen, die nun perfekt synchronisiert erklingen, lauter sind als die anderen und akustisch wie eine sterile wunde Stelle aus der Musik hervorstechen.

Oberheim OB-X8

Technisch gesehen kann phasenstarr bei jedem Synthesizer auftreten, egal ob Vintage oder modern, obwohl ich es ehrlich gesagt noch nie bei einem Vintage-Synthesizer gehört habe, auch nicht bei einem Oberheim. Heutzutage scheint es auffälliger und häufiger vorzukommen, wahrscheinlich dank moderner Design-Faktoren wie den ganz exakten Netzteilen und engerer Platzierungen der Bauteile. Ich sollte anmerken, dass phasenstarr bzw. Phasenverriegelung nicht dasselbe ist wie der extrem enge Unisono, den man mit dem OB-X8 gezielt einstellen kann, bei dem es praktisch keine Bewegung zwischen den Oszillatoren gibt (was der Oberheim OB-8 übrigens auch schon konnte).

Wie dem auch sei: Seitdem ich den neuen OB-X8 erhalten habe, konnte ich nur „sehr gelegentlich“ eine phasenstarre Situation der Oszillatoren hören. Bei meinen grundlegenden Tests scheint es tatsächlich bei jeweils einer Stimme aufzutreten, und auch nur dann, wenn sie auf das engst mögliche Unisono getrimmt ist.

Glücklicherweise verhindert beim OB-X8 schon die kleinste Verstimmung dieser Stimme das Phänomen der Phasenstarrheit, ebenso wie jedes Vibrato … wobei – seltsamerweise – PWM das phasenstarre Auftreten wiederum nicht eliminiert. Das Gute am OB-X8: Die Stimmen haben beim Spielen auf der Tastatur genügend Variationen / Lebendigkeit zwischen den Oszillatoren, dass die Phasenstarrheit tatsächlich nur selten vorkommt.

Oberheim OB-X8

Ach ja … Stichwort Tastatur, das ist Punkt zwei. Was meine persönlichen Vorlieben angeht, so ziehe ich das originale Matsushita Keybed des OB-8 (das auch beim Memorymoog zum Einsatz kam) der Fatar-Tastatur des OB-X8 vor. Ich bin kein Pianist, aber wenn ich zum Beispiel auf den blitzschnellen Tasten eines polyphonen Yamaha CS-Synthesizers spiele, fühle ich mich doch wie ein schneidiger Keyboarder. Umgekehrt fordert die nun etwas schwergängigen Fatar-Tastatur des OB-X8 einen geradezu heraus, kräftig zu spielen, doch in der Realität werden alle Nicht-Pianisten nur langsamer, und damit das Gegenteil von schneidig.

Ich bin mir nicht sicher, wieso wir anno 2023 zu diesem Punkt der schwergängigen Tastatur gekommen sind. Synthesizer sind keine Klaviere, schon klar, aber wenn es um Tastengefühl und Tastengewicht geht, scheinen die Pianisten auf der Gewinnerseite zu sein. Oder vielleicht fanden kluge Marketingleute heraus, dass sie, wenn sie ein maskulineres Keyboard verwenden, auch den Begriff „Premium“ verwenden dürfen und somit etwas mehr für das Produkt verlangen können.

Wie dem auch sei, wenn Sie nicht an diese Art von widerstandsfähigeren Tasten gewöhnt sind, wird sich Ihr Spielgefühl am OB-X8 in jedem Fall anders anfühlen als auf Ihrem OB-8.

Oberheim OB-X8

Zusammenfassung

Nachdem wir diese beiden Bedenken – gelegentlich phasenstarre Oszillatoren und das schwergängige Keyboard des OB-X8 – genannt und gedanklich aus dem Weg geräumt haben, kommen wir zurück zu den klanglichen Vorzügen des OB-X8. Der Synthesizer kann die klischeehaften, vermarktungsfähigen Sounds von „zwei beliebigen Bands, die Sie gestern auf einem klassischen Rocksender gehört haben“, problemlos erzeugen. Mächtig, rockig, amerikanisch.

Aber der OB-X8 ist auch zu einer Sensibilität und Launenhaftigkeit fähig, die möglicherweise noch deutlich fesselnder als auch relevanter für moderne elektronische Musik ist. Man denke an die warmen, organischen Pads von Steve Roach („Structures from Silence“) oder von Pulse Emitter – beide übrigens OB-8 Nutzer, kombiniert mit der hauchzarten Melancholie von Boards of Canada und einigen resonanten Roland Jupiter-6 BP/HP Sweeps.

Gegenüber den Vintage Originalen erhöht nun das Hinzufügen der Anschlagsdynamik die Ausdruckskraft dieser berühmten Oberheim-Klänge, und der OB-X8 kann Sie leicht mit ein paar einfachen Sequenzen und den leichten natürlichen Variationen in jeder sich wiederholenden Note hypnotisieren.

Oberheim OB-X8

Und obwohl ich zugeben muss, dass jeder der Vorgänger des OB-X8 verschiedene individuelle Elemente des OB-X8 erzeugen konnte, konnten sie es nie „alle auf einmal“ bzw. nie in einem so zugänglichen, effizienten Paket wie der OB-X8 es ist. Und das, meine Freunde, ist der Grund, warum der OB-X8 – aus meiner Sicht und aus meiner Erfahrung – der beste Oberheim aller Zeiten ist.

Text: Matt Vrazo


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Musik: Stephane Garganigo

Oberheim OB-X8

Polyphoner Analoger Synthesizer
8 Stimmen (16 VCOs)

Preise:
(10/2023)

Oberheim OB-X8: ca. 5.279 Euro
Oberheim OB-X8 Desktop: ca. 3.898 Euro

Website Hersteller:
https://oberheim.com

Link / Vergleich:
Oberheim OB-8 Testbericht

1 Kommentare

  1. Dieser OB-X8 Test ist ein umfassender wie hervorragend geschriebener Praxisbericht, der mich motiviert hat, den Synth nächste Woche einmal in Ruhe selbst zu spielen und zu überprüfen, ob ich das verbaute OLED Panel lesen kann ;-)

    Aufgrund eigener Erfahrungen im Zusammenhang mit Neuinterpretationen von Synth-Legenden hielt ich es fast schon für ausgeschlossen, mich überhaupt noch einmal dem Retro Thema zu widmen.
    Matt Vrazo konnte mich anhand seines Zweiteilers schnell eines Besseren belehren.
    Vielen Dank ! 🙂

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