Korg PS-3100 – ein polyphoner Tyrannosaurus

Wenngleich der Korg PS-3100 Synthesizer einem überdimensionalen MS-20 sehr ähnlich sieht, spielt er klanglich in einer völlig eigenen Liga. Das hat natürlich teils mit seiner praktisch unbegrenzten Mehrstimmigkeit zu tun, mehr noch aber mit den vielen Extras und Besonderheiten, die den Polyphonic Synthesizer 3100 zu einer der eigenständigsten Schöpfungen der elektronischen Musikgeschichte machen.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Das Résumé gleich vorweg: Die Korg PS-Serie gehört – ebenso wie Yamahas polyphone CS-Synthesizer – zu den charaktervollsten und (wenn man es so sagen will) musikalischsten Instrumenten unter den mehrstimmigen Analogsynthesizern. Musikalisch im Sinne von natürlich, von lebendig, von verstimmt, von organisch. Dieses Urteil ist wie immer eine höchst subjektive Einschätzung, ein Ausdruck des persönlichen Geschmacks und ein Ergebnis der individuellen musikalischen Ausrichtung, zu der man tendiert.

Allerdings lässt der Vergleich aller Vintage-Synthesizer eine gewisse Objektivität zu. So kann man feststellen, dass es viele ungefähr gleichwertig ausgestattete polyphone Instrumente gibt, sowie einige wenige andersartige, die sich durch eine Anhäufung besonderer Merkmale unterscheiden, welche bei keinem anderen Instrument vorzufinden sind. Zu einem solchen „raren“ Instrument mit vielen Besonderheiten – und damit mit viel Charakter – zählt der Korg PS-3100.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Das Modell 3100 als Basis der PS-Familie

Korg konzeptionierte ein Gerät als Grundstein der PS-Serie: Den PS-3100. Selbiger ergibt in dreifacher Ausführung (mehr oder weniger, S/H ist beispielsweise nur einmal vorhanden) den wirklich beeindruckenden PS-3300. Ein Jahr nach Erscheinen dieser beiden Instrumente (1977) kam 1978 noch der PS-3200 hinzu, welcher vom Konzept her teils erheblich anders realisiert wurde als die älteren Brüder der Familie (Stichwort Programmspeicher) und daher eindeutig von der Linie „PS-3100 als Basis“ abweicht. Dies ist insofern von großer Bedeutung, als einige der musikalisch so hervorragenden Features des „kleinen“ PS-3100 beim PS-3200 nicht mehr zu finden sind.

Anzumerken sei noch, dass es wie immer solche und solche Meinungen bzw. solche und solche Einschätzungen zu ein und demselben Instrument gibt. Nicht wenige Musiker schätzen „ganz speziell“ den Korg PS-3200. Sicher auch (aber nicht nur) wegen seiner Speicherbarkeit – ein Feature, das im Studio-Alltag natürlich durchaus angenehm ist. Zudem muss man fairerweise bekennen, dass die separate PS-3010 Tastatur des PS-3200 (bzw. PS-3300) ein wunderbares Performance-Tool ist, das vor allem durch den herrlichen Joystick eine sehr flexible Kontrolle verschiedener Steuerspannungen am Instrument erlaubt.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Dennoch, meiner Erfahrung nach zeigt sich bei der Korg PS-Serie ein häufig zu beobachtendes Phänomen: Das kleinere Instrument ist für den Musiker oftmals – nach Kennenlernen und Abwägen aller Vor- und Nachteile – interessanter als das größere.

So ist ein Roland Juno-60 die deutlich günstigere (und musikalisch nicht unbedingt minderwertige) Alternative zum Jupiter-8. So ist ein Yamaha CS-60 die schlaue Lösung für Leute, die den Klangcharakter des CS-80 lieben, die aber mit der technischen Urgewalt des großen Boliden (und mit all seiner Nebenwirkungen) nicht konfrontiert werden möchten. Und so ist der Korg PS-3100 in einigen wesentlichen klanglichen Aspekten dem größeren und teureren PS-3200 ganz sicher überlegen …

Was macht den PS-3100 so besonders?

Nun ja, alles! Doch etwas präziser formuliert:

Die Polyphonie: Neben dem Polymoog sind die Korg PS-Instrumente die einzigen wirklich vollpolyphonen und umfassenden Analog-Synthesizer. Der PS-3100 ist 48-stimmig, was aus musikalischer Sicht gewaltige Vorteile hat. Akkorde werden bei steigender Mehrstimmigkeit nie „abgeschnitten“. Sololinien können selbst bei maximaler Release-Zeit immer zur Gänze ausklingen. Obwohl er nur einen VCO pro Stimme hat, kann der PS-3100 dank seiner nahezu unbegrenzten Vielstimmigkeit sehr breit, brachial und wirklich beeindruckend voll klingen.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Die Resonatoren: Sie liefern einen stark phaser-ähnlichen Sound und tragen ganz wesentlich zum typischen „PS-Charakter“ bei. Lebendigkeit und Charakterstärke pur, sozusagen. Beim PS-3200 wurden die Resonatoren übrigens weggelassen und durch einen Equalizer ausgetauscht. Leider, muss man sagen, da dies keinen auch nur ansatzweise gleichwertigen Ersatz darstellt. Doch können sich PS-3200-Besitzer behelfen, indem sie z.B. die Resonatoren von MAM als externe Effekteinheit hinzukaufen, womit man dem originalen Charakter eines PS-3100 schon wieder deutlich näher kommt.

Die Hüllkurven: Sie sind etwas eigenwillig und dennoch genial konzipiert! Attack, Decay und Sustain werden über Potis reguliert, Release ist hingegen nur grob zuschaltbar – Damped, Half Damped oder eben Release. Gerade die Release-Zeit ist aber vom Allerfeinsten! In ihrer DAMPED-Position ist sie so kurz und knackig, dass Soli immer sehr lebendig und – ja, es lässt sich nicht anders sagen – musikalisch klingen: Bestens, diese „frechen“, kurzen Release-Zeiten.

Der PS-3200 wurde an dieser Stelle übrigens „erweitert“ und bietet den gewohnten Standard Attack, Decay, Sustain, Release – alles über Potis regelbar, wie wir es nur allzu gut kennen. Die schönen Release-Presets sind jedoch weg, was den PS-3200 wiederum um ein kleines Stückchen weniger interessant macht. Auch bei kürzester Release klingt er nicht ganz so „frech“ und aggressiv wie der kleinere Bruder PS-3100.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Weiter zur Attack. Sie bietet die längste Anstiegsphase, die ich kenne und klingt (oder sagen wir: entwickelt sich) im Zusammenspiel mit dem Schalter HOLD klanglich ganz beeindruckend. Eingestellt wird die super-lange Attack folgendermaßen: Zuerst Attack über „7“ einstellen, dann den Hold-Schalter betätigen, dann Töne spielen – somit ist Hold aktiv. (Doch bitte Geduld haben … der Ton entwickelt sich erst, das kann schon ein wenig dauern). Um die Hold-Funktion wieder auszuschalten, muss der Attack-Regler unter den Wert von „3“ eingestellt und dann der Hold-Switch abgeschaltet werden. Klingt kompliziert, ist aber nach einigen Probe-Durchläufen sogar schon wieder in sich „logisch“ und in der Praxis gar kein Problem.

Eine genaue Messung der Attack-Zeit liegt nicht vor (in der Tat ist es schwierig, den „Endpunkt“ der Anstiegszeit exakt zu hören), aber sie beträgt zumindest 2 Minuten! Wie dies in der Praxis funktioniert: Man stelle Attack auf (beispielsweise) „10“, drücke Akkordtöne von unten nach oben aufsteigend über die gesamte Tastatur (mangelnde Polyphonie ist ja kein Thema), setze sich gemütlich vor die Lautsprecher … und, nun ja … hört dann zunächst rein gar nichts!

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Aber das ist natürlich eine Finte, denn der PS-3100 produziert die Klänge schon. Sie sind eben nur noch nicht hörbar (der amerikanische Extrem-Künstler/-Musiker John Cage hätte mit diesem Instrument seine große Freude gehabt). Ein schneller Kaffee geht sich noch aus, wieder zurück vor dem Lautsprecher hört man noch immer nichts.

Doch dann, nach längerer Stille, ist das – inzwischen schon vor ewiger Zeit eingespielte – Harmonie-Gemisch langsam wahrnehmbar … sehr, sehr langsam, es kommt (tatsächlich) aus dem Nichts … definitiv gruselig. So, als würde der Master-Regler des Mischpults mit unendlicher Geduld (Millimeterarbeit) hinauf gezogen … und der Klang wächst, und wächst. Nun wird es beängstigend, massiv. Irgendwann hält man das Dröhnen nicht mehr aus und dreht die Lautstärke des PS-3100 zurück. Doch das Instrument wird zum Tyrannosaurus Rex, der Klang wächst weiter, man dreht nun das Filter zurück und reduziert nochmals die Lautstärke, um den geliebten Studio-Lautsprechern ein Überleben im Angesicht des wild gewordenen Polyphonic Synthesizer 3100 zu ermöglichen. Schweißgebadet stellt man fest: Der PS-3100 ist ein Erlebnis der Sonderklasse.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Dann ein Moment der Reflexion. „Attack“ klingt im Synthesizer-Jargon ja wenig spektakulär, eher beiläufig, es ist ein Wort, mehr nicht. Meist wird der deutlich wichtigere Teil des Begriffes – die ZEIT – sprachlich einfach weggelassen. Nun, in diesem Punkt wird man vom Korg PS-3100 nachhaltig und eindrucksvoll kuriert. Das Instrument definiert die Grenzen neu und macht klar, was Anstiegszeit – Attack TIME – in seinem vollen Umfang bedeuten kann …

Während viele Musiker möglichst kurze Attack-Zeiten als Maßstab für die Qualität eines Instruments sehen, eröffnen sich mit den extrem langen Anstiegszeiten eines Korg PS-3100 unerwartete und nicht weniger eindrucksvolle musikalische Welten. Beim PS-3200 wurde diese Spezialität übrigens wiederum geändert: Hier sind die Attack-Zeiten auf ein „übliches“ Maß von max. 20 Sekunden den damit standardisierten „Gepflogenheiten“ der Synthesizer-Welt angepasst.

Nebenbei: Attack und Release lassen sich bei allen Korg PS-Instrumenten via CV-Eingang extern spannungssteuern! Das ist natürlich besonders schön … so kann man mittels Bewegen des (entsprechend verkabelten) Modulationsrades die Attack-Zeit im Solo-Spiel ständig variieren bzw. exakt dem solistischen Spiel anpassen. Das ist nur ein weiteres Beispiel, wie flexibel die (polyphone) Hüllkurve des PS-3100 zum Einsatz kommen kann …

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Das Steckfeld: Es ist – wie wir es vom MS-20 her kennen – in einem einzigen Block realisiert. Da der PS-3100 insgesamt größer ist, wirkt aber sein Steckfeld deutlich übersichtlicher und aufgeräumter als beim (zuweilen etwas chaotischen) MS-20.

LFO 1 / LFO 2 / Sample & Hold: LFO 1 hat einen enormen Frequenzumfang und erlaubt neben seiner Standardfunktion im „Low“-Bereich auch sehr exotische Effekte im „High“-Bereich. Korg dürfte den LFO unter genau diesem Gesichtspunkt entworfen haben: Größtmögliche klangliche Flexibilität – vom feinen Vibrato hin zum experimentellen Ringmodulator-ähnlichen / Vocal-ähnlichen FX-Sound …

Wiederum wurde dies beim PS-3200 ein wenig geändert. Hier kommt LFO 1 nicht ganz so hoch hinauf wie beim PS-3100. Allerdings nur via Direktbedienung / Poti. Wenn man die Frequenz des LFOs von außen moduliert (via Joystick oder Bender, LFO 2, etc.), erreicht der PS-3200 eine sogar noch höhere Frequenz als der kleine Bruder. Beim PS-3100 hingegen „liquidiert“ man bei externer Frequenzmodulation ab einem bestimmten Punkt – wenn er zu sehr in die Höhe getrieben wird – den LFO. Dann gibt er einfach den Geist auf, er stellt sich tot und wartet, bis man ihn wieder brav in „normalere“ Gefilde (Frequenzbereiche unterhalb von 1 kHz) reguliert. Von außen gepatcht macht das LFO 1 des PS-3200 nichts aus, so gesehen ist hier der Low Frequency Oscillator teils sogar besser als beim kleineren Bruder …

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

LFO 2 ist eine wichtige Beigabe, da er als Modulationsquelle für die Resonatoren dient (die natürlich auch via externer CV-Quelle alternativ oder zusätzlich moduliert werden können). Nebenbei kann LFO 2 auch zur Frequenzmodulation von LFO 1 genützt werden. Und schließlich noch: Sample & Hold nicht zu vergessen, mit der Möglichkeit der Synchronisation zu LFO 1.

Viele Extras

Es gäbe noch sehr viel zu diesen oder jenen musikalischen Besonderheiten des PS-3100 zu sagen. Zur Möglichkeit etwa, eigene Tonskalen zu erstellen (arabische Vierteltöne gefällig?). Oder zum Rauschgenerator, als Bestandteil des LFO (Rauschmodulation, sehr selten). Oder zur Spezialität, das Keyboard-Tracking betreffend VCF und VCA sowohl positiv als auch negativ (für Filter und Ausgangslautstärke separat regelbar!) einzustellen, stufenlos natürlich (dumpfer, lauter Bass und heller, jedoch leiser, Diskant, als Beispiel).

Die zusätzliche „General Envelope“ (GEG) wurde nicht genannt, sie kann – abhängig von der Anzahl der gleichzeitig gespielten Töne – erklingen, was bei gezielter Spielweise enorme klangliche Möglichkeiten bietet (z.B. Auto-Glide bzw. eben Env-Glide der Tonhöhe immer nur dann, wenn 3 Tasten gedrückt sind). Pulsweitenmodulation beim VCO wäre noch zu erwähnen, oder das massive Aluminium-Wheel, das speziell im Zusammenhang mit den vorhandenen 4-fach Multiple-Buchsen (> maximal 3 routbare Modulationsziele auf einmal) ein Genuss zu bedienen ist … doch lassen wir nun alles Technische beiseite und widmen uns endlich konkreten musikalischen Erfahrungen.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Der Klang

Sound ist letztlich das stärkste (und wohl einzige) Argument, wenn es um Musik geht. Kaum ein Synthesizer hat so enorm viel Leben, eigenständigen Klangcharakter und ein solch breites musikalisches Spektrum in sich vereint wie der Korg PS-3100. Feinste FX-Sounds, überzeugende Bässe (die nie Moog-Bässe sein werden, dennoch sehr schön trocken und mit der schnellen Hüllkurve auch richtig bissig sind), breite Pad-Klänge (der Resonator macht hier den Sound noch deutlich lebendiger), subtile Solo-Klänge etc.

Wer neue Sounds sucht, gerne experimentiert und musikalische Features wie extreme Hüllkurven-Werte und Voll-Polyphonie künstlerisch zu verwerten weiß, der wird sich an diesem Instrument umgehend wohl fühlen.

Zugegeben, der PS-3100 kann auch dünn klingen. Mickrig sogar, doch (!) – und das ist entscheidend – „nie“ ohne seinen besonderen Klangcharakter zu verlieren. Wer mehr Fülle im Klang benötigt, der hat den eingebauten Chorus zu Verfügung (noch besser: ein externer Stereo-Chorus), doch viel eleganter ist es natürlich, den PS-3100 durch gezielten Einsatz seiner beiden LFOs, der PWM, der Resonatoren und anderer Feinheiten die nötige klangliche Stärke und Ausdruckskraft zu verleihen.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

UND: Das Instrument bietet 2 (eigentlich sogar 3) parallel Audio-Ausgänge. Den Main-Ausgang, den DIR(ect) Ausgang sowie PHONES. Main-Ausgang direkt auf das Mischpult legen, parallel dazu DIR(ect) abgreifen und über einen schönen Stereo-Chorus verfeinern … nun, schon hat man den PS-3100 im Stereo-Betrieb und bei (mächtiger) Klangfülle.

Nachteile des PS-3100?

Es gibt rund um den PS-3100 zumindest fünf Nachteile zu nennen. Zwei klangliche, zwei technische und einen optischen.

Erstens der nur eine VCO pro Stimme. Ich finde ihn zwar in 95% aller musikalischen Notwendigkeiten ausreichend, zudem es ja auch PWM für „dichtere“ Sounds (Pseudo-Schwebungen) gibt, doch ab und zu wären richtige Schwebungen (und Intervalle) zwischen 2 VCOs eben doch das gewisse „Extra“…

Zweitens die Filter-Resonanz. Sie ist etwas harmlos, wenn man so will. Selbst bei maximalem Wert bringt sie das Filter nicht annähernd in Eigenresonanz. Ganz anders als beim einstimmigen Bruder MS-20, dessen „Screaming Resonance“ ja Legende ist, wie wir alle wissen.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Drittens die mangelnde Kontrollmöglichkeit des PS-3100 im Studio-Setup. Natürlich wäre es einzigartig, den Bonus der analogen Voll-Polyphonie über CV/Gate zu kontrollieren, was aber selbstredend technisch kaum umsetzbar (und daher auch nicht vorgesehen) ist.

Dennoch gibt es eine äußert elegante Lösung: Ein MIDI-Kit von Kenton Electronics. Nicht wirklich günstig (inkl. Einbau durch einen Techniker mag man hierfür bis zu 700 Euro rechnen), doch ist dieses MIDI-Kit jeden Cent wert. Mehr noch, die Koppelung zweier MIDIfizierter PS-3100 würde die Realisierung eines „echten“ PS-3200 erlauben (mit Resonatoren und allen, später verloren gegangenen, Hüllkurven-Feinheiten) bzw. eines leicht reduzierten PS-3300, steuerbar über MIDI (Masterkeyboard / Sequenzer / PC) und mit schönen Extras wie Velocity-Kontrolle und Aftertouch-Kontrolle.

Diese Controller-Werte lassen sich direkt am Kenton Kit über 7 Miniklinken-Buchsen abgreifen (leider Miniklinke, aber ok) und beliebig auf das Patchfeld routen. (Leider muss man dabei „um das Instrument“ herum, da besagtes Kenton-Kit in der Regel an der Rückseite des PS-3100 verbaut ist). Dennoch einzigartig, denn so kann man beispielsweise mittels Velocity das Filter, die Resonatoren, die Attack- oder Release-Zeit oder die Geschwindigkeit von LFO 1 modulieren.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

Viertens ein weiterer – möglicher – Nachteil. Er betrifft alle (vintage) polyphonen Analogsynthesizer und macht sich auch bei der Korg PS-Serie bemerkbar: Technische (Un)Zuverlässigkeit – bis zu einem gewissen Grad. Wobei, einerseits: Der Korg PS-3100 ist im Wesentlichen sehr zuverlässig. Andererseits: Das Innenleben der PS-Synthesizer ist beängstigend vollgefüllt. Im Fall des PS-3100 vollgefüllt mit 9 Platinen (gut bestückte Voiceboards, Modulations- und Kontrollkarten), diversen zusätzlichen Bauteilen und Hunderten von Kabeln. Betreffend aufwändiger Bauweise ist das Instrument in etwa mit einem Yamaha CS-60 zu vergleichen.

Dem Service-Check eines PS-3100 sei jedenfalls dringend anzuraten, da speziell die Kondensatoren nach vielen Jahren Gefahr laufen, auszurinnen. Und das hat ähnliche Folgen wie bei einer leck gewordenen Batterie. Da die Steckkarten senkrecht im Instrument angebracht sind, läuft die Säure dann gerne quer über die Boards nach unten, für maximalen Schaden sozusagen. Das Fiasko wird zumeist erst im fortgeschrittenen Stadium bemerkt, daher sollte der regelmäßige Service-Check (alle 5 Jahre beispielsweise) auf der TO-DO-Liste jedes PS-Besitzers stehen.

Weiters sei auf die Oktav-Teiler (Octave Divider) hingewiesen: Sie machen die Voll-Polyphonie (von den Master-Oszillatoren ausgehend) ja erst möglich und dürften zu den wichtigsten Ersatzteilen jedes Korg PS-Besitzers zählen. Obwohl hier in keinem meiner zwei PS-3100 bisher ein Problem auftrat (über mehrere Jahrzehnte hinweg), waren bereits 20 (!) der 24 Divider meines – inzwischen wieder verkauften – PS-3200 ausgewechselt worden. Nicht, dass besagte Octave Divider – kleine Chips – teuer wären (20 Euro das Stück?), aber: Man sei eben gewarnt.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer Auction Reverb 2020

Fünftens ein äußeres Merkmal, ganz speziell eines des PS-3100. Im Gegensatz zu den größeren Brüdern PS-3200 bzw. PS-3300 wurde das Holzgehäuse des PS-3100 nicht aus Vollholz hergestellt, sondern aus Schichtholz, das mit einer Furnier überzogen ist. Im Laufe der Jahre (und Jahrzehnte) blättert diese Furnier teils erheblich ab, wie man es z.B. auch von den Seitenteilen des Roland Juno-60 (oder Jupiter-4) her kennt. Und da der PS-3100 extrem unhandlich zu tragen ist (seine Tiefe ist so mächtig, dass man – den PS-3100 mühsam vor dem Bauch her schubsend – kaum durch einen Türrahmen kommt, „ohne“ eine seiner Ecken anzustoßen), sind viele PS-3100-Exemplare heute nur noch in einem angeschlagenen und somit optisch mittelmäßigen Zustand erhalten.

Hinweis für Liebhaber: Die Furnier kann ersetzt oder ausgebessert werden. Und wer es ganz edel haben möchte, lässt sich das Gehäuse seines PS-3100 von einem Tischler neu bauen – aus Vollholz, natürlich. Alles ist möglich …

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer Auction Reverb 2020

Der aktuelle Wert des Instruments?

Anno 1977 – neu – kostete der PS-3100 ca. 6.500 DM. Eine Menge Geld in jener Zeit, noch dazu für einen Synthesizer mit nur einem VCO pro Stimme und ohne Programmspeicher. Nicht weiter verwunderlich, dass sich das Interesse in Musiker-Kreisen in Grenzen hielt und die Anzahl der hergestellten Instrumente gering war: Gemäß Synthesizer-Literatur wurden ca. 600 Korg PS-3100 gebaut.

Ab Mitte der 90er-Jahre hat sich jedoch das allgemeine Interesse an der Korg PS-Serie (bzw. an so gut wie allen Vintage-Synthesizern) eindeutig gesteigert. Und damit auch deren Preisentwicklung. Wenngleich im Oktober 2003 auf ebay.de ein PS-3100 für bescheidene 400 Euro den Besitzer wechselte (Glückwunsch dem Sofortkäufer, sofern die Auktion auch tatsächlich stattfand), stellte dies eine klare Ausnahme dar.

Korg PS-3100 Synthesizer

Zwischen 1.500 und 2.000 Euro waren Mitte der 00er-Jahre bereits zu kalkulieren. So wurde im Februar 2004 in Italien ein PS-3100 für 1.600 Euro angeboten, im September 2005 in Frankreich ein PS-3100 mit Kenton-Midi (!) für 1.800 Euro. Ein Schnäppchen, würde man heute sagen (wo mit dem Zehnfachen zu rechnen wäre).

Inzwischen sind die Preise der Korg PS-Serie weiter nach oben geklettert und für so manchen Interessierten sicher ins ferne Weltall gerückt. Im Jahre 2014 musste man mit 4.000 bis 5.000 Euro für einen PS-3100 rechnen, alles darunter wäre in der Tat schon günstig gewesen. 2020 kamen wir im Bereich zwischen 6.000 und 10.000 Euro an, doch es ging noch deutlich weiter …

Korg PS-3100 Synthesizer auction November 2021

Ein gut erhaltenes und technisch überholtes Instrument mit Kenton-MIDI erreichte Anfang 2021 ohne weiteres bis zu 12.000 Euro Marktwert. In diesem Fall – siehe obiges Bild – sogar für ein defektes Instrument. Im November 2021 gab es das nächste Exemplar, diesmal für 15.000 Euro (… doch ja – Spezialangebot – immerhin fehlt hier nur ein Knopf …).

Ironie beiseite: Solche Werte sind natürlich relativ. Man kann über derartige Entwicklungen den Kopf schütteln oder nicht. Mitte 2022, sind die Preise für einen PS-3100 gar auf 20.000 Euro geklettert.

Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer Auction 2022

Zu selten werden die Instrumente (pro Jahr gibt es höchstens noch 4 oder 5 Exemplare im internationalen Angebot), zu sehr geht der Hype rund um Vintage-Synthesizer in Richtung Investitions- und Spekulationsobjekte. Angebot und Nachfrage, es ist das alte Spiel.

2023 sinken die Preise dann wieder etwas. Die beiden auf Reverb angebotenen PS-3100 Exemplare – einmal in Frankreich, einmal in Italien – sind in seltener Eintracht für 18.000 Euro das Stück erhältlich.

Korg PS-3100 Synthesizer Auction 2023

Dennoch, zurück zu den relativen Werten. Während sich für viele Musiker das Thema der Vollpolyphonie ganz einfach über Software gut und günstig „erledigen“ lässt (wozu einen PS-3100 kaufen?), stellen für Puristen und Kenner die musikalischen Besonderheiten und typischen Merkmale eines PS-3100 – unabhängig vom aktuellen Gebrauchtmarktpreis – immer Unique Selling Points (UIPs) dar. Damit bleiben Instrumente wie ein PS-3100 für Klang-Enthusiasten unersetzlich und haben tatsächlich einen völlig offenen preislichen Rahmen.

FB-3100 Software Synthesizer (kostenloses VST Plug-In)

FBM (Full Bucket Music) bietet ein kostenloses VST Plugin jeweils für den PS-3100, PS-3200 und PS-3300 an. Alle Instrumente wurden von Björn Arlt programmiert.

„The FB-3100 is a software synthesizer plug-in for Microsoft Windows (VST) and Apple macOS (VST/AU) simulating the classic KORG PS-3100 polyphonic analog synthesizer from 1977. It is written in native C++ code for high performance even on “lighter” systems.

The main features are:

●  Close emulation of behavior and all controls of the original hardware
●  Band-limited oscillators, classic two-pole lowpass filters
●  Resonators section
●  Two Modulation Generators, Sample & Hold
●  Additional paraphonic Envelope Generator
●  Semi-modular patch panel
●  Micro-tuning option
●  Additional tweaks
●  Plug-in supports Windows and macOS (32 bit and 64 bit)“

(Source: FB-3100 Manual)

Fazit

Software hin oder her: Vom Standpunkt der „Einzigartigkeit“ aus betrachtet wird es nie eine echte (moderne) Alternative für die Korg PS-Serie geben, jedenfalls nicht ohne den Einsatz der entsprechend umfangreichen Hardware.

Tatsächlich gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass ein Hersteller jemals wieder ein so wunderbar aufwendiges und intuitiv-musikalisches Instrument wie den PS-3100 (oder PS-3200 oder PS-3300) produzieren wird: Einen diskret aufgebauten 48-stimmigen Analogsynthesizer mit mächtigem Resonanzfilter, umfassender Patchbay und mit viel – sehr viel – musikalischem Charme.

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Korg PS-3100 Polyphonic Synthesizer

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40 Minuten Klangbeispiele sind angefügt. Noch ein Wort zu den Soundbeispielen: Da der Korg PS-3100 einen so starken Klangcharakter hat, bietet sich dieser Synthesizer – idealerweise, wenn er MIDIfiziert wurde (aber ohne MIDI ebenso) – perfekt im Mix mit anderen Instrumenten an. Dann kann ein Yamaha CS-60 seine individuellen Stärken gleichermaßen einbringen wie ein PPG Wave 2.2 wie ein Elka Synthex wie ein Korg Polyphonic Synthesizer und wie viele andere Instrumente. So ist es zu erklären, dass zumindest die Hälfte der Klangbeispiele MIX-Soundfiles sind, in denen der PS-3100 „seinen“ (meist unverkennbaren) Teil zum gesamten Klangbild beiträgt.

Korg PS-3100 Synthesizer

Teil der PLS (Polyphonic Laboratoy Systems)
Polyphonic Synthesizer Group
48 Stimmen

12 Master-VCOs
48 Hüllkurven
48 Filter

Links:
Vintage Synth Explorer
Kenton MIDI Retrofit Kit
Korg PS-3100, oder: Des Kaisers neue Kleider
Full Bucket Music FB-3100 free VST software synthesizer

Open / Download:
Korg PS-3100 Synthesizer Foto (3800×2500 px)

Youtube Video (by sorvolator):
Korg PS-3100 mit Expressive E Touché

Youtube Video (by ZiGouji):
Korg PS-3100 with external effects

Kategorie 2014, Featured, Testberichte

“Es genügt, einen Ton schön zu spielen” sagte der Komponist Arvo Pärt im Jahre 2005. Diese Aussage ist ebenso einfach wie ich auch exzellent: Es braucht kein Meer an Tönen, denn entscheidend ist der Klang. Dass so mancher Vintage-Synthesizer der 70er und 80er Jahre teils unerreicht hochwertige Klänge liefert, steht außer Frage. Doch tatsächlich leben wir “heute” in einer nahezu perfekten Zeit. Einerseits hat man – mehr oder weniger – noch Zugriff auf die Vintage Analogen, andererseits wird auch bei Neugeräten die wichtige Komponente des hochwertigen Klanges wieder zunehmend berücksichtigt. Doepfer, Cwejman, Synthesizers.com, MacBeth, Moog, GRP, Studio Electronics, COTK, John Bowen und andere Hersteller bauen hervorragende Synthesizer, die den “Klassikern” in nichts nachstehen. All diesen (alten wie neuen) “großartigen” Instrumenten ist Great Synthesizers gewidmet. _________________________________________________________ In 2005 composer Arvo Pärt said: “Playing one tone really well is enough”. In other words, it is sufficient to play one tone 'beautifully'. I agree with that. All musical efforts are focused on the sound itself. Although I studied classical music (piano and drums), it’s the electronic sound that inspires me. Synthesizers are the epitome of new sounds and exciting tonal spheres. Today, many companies produce high-quality - excellent! - synthesizers: Doepfer, Cwejman, MacBeth, Moog, GRP, Synthesizers.com, COTK, Studio Electronics, John Bowen and others. It's their products I'm really interested in ... apart from Vintage Synthesizers, which I have been collecting for 20 years. Subsequent to our former websites Bluesynths and Blogasys, Peter Mahr and I have now created GreatSynthesizers. We hope you like it.

4 Kommentare

  1. Siggi Mueller

    Danke Theo, habe es sehr genossen deinen Artikel zu lesen. Wie immer, sehr fundiert.

  2. … a synthesizer that gave us five stars and much more for the vangelis score Chariots Of Fire …

  3. den hatte ich 1979 von einem Freund geliehen und damit einige Basics für mein Album „Synthesist“ aufgenommen. Inzwischen weltweit ein Kultalbum der elektronischen Musik.

    Sehr schöner Kommentar und Klangbeispiele !

    Harald Grosskopf

  4. Ein toller Artikel! Deine Begeisterung für diesen völlig unterschätzen Synthi ist beim Lesen regelrecht zu mir rüber geschwappt! :-)

    Viele Grüße, Björn

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