Roland Jupiter-6 – von Obertönen, Pads und Polyrhythmen

Roland Jupiter-6: Kultstatus? Eher nicht. Verkaufserfolg? Mittelmäßig. Seit seinem Erscheinen 1983 wird dieser Synthesizer als Nischenprodukt zwischen Juno-60 und Jupiter-8 gehandelt. Also „Weder Fisch noch Fleisch“? Keineswegs. Der Jupiter-6 ist – ungeachtet seiner durchwachsenen Popularitätswerte – ein im technischen Detail überraschendes und im klanglichen Detail erfrischendes Instrument.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Interessant: Noch 2022 wäre unsere Beurteilung dieses Synthesizers eine deutlich kühlere gewesen. Sprachlos nimmt man zur Kenntnis, dass über Jahrzehnte hinweg keine nennenswerte Bindung zum Instrument entstanden ist (wir hatten im Laufe der Zeit mehrere Jupiter-6), während sich der Siegeszug dann überraschend und unerwartet in wenigen Stunden vollzieht.

Dieser Siegeszug beginnt im Februar 2023 mit einem ganz praktischen Grund. Es gilt, die ausschließlich experimentell-geräuschhaften Klänge des Jupiter-6-Vorbesitzers durch eigene Sounds zu ersetzen. Das gelingt deutlich besser als gedacht und übertrifft alle Erwartungen – wir „entdecken“ den alten Roland-Synthesizer als neues Instrument.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Überlagert wird der Siegeszug des Jupiter-6 gerade jetzt von – in den meisten Fällen – ausbleibenden Eindrücken rund um moderne Poly-Analogsynthesizer. Enorm leistungsstarke Instrumente, randvoll mit Möglichkeiten – alles bestens. Und doch vermissen wir bei einem Großteil der Neuerscheinungen etwas, das triggert. Etwas, das man – ungeachtet aller technischen Raffinessen – als „nachhaltige musikalische Inspiration“ bezeichnen könnte. *

[ * Zugegeben, die musikalische Inspiration ist ein komplexes, individuelles und sehr heikles Gebilde. Es besteht nicht nur aus dem reinen „Sound“, aus den Fakten / Klangmöglichkeiten / Performance-Möglichkeiten am Paneel bzw. in der (wie auch immer vorhandenen) Software. Es gehört – unserer Meinung nach nicht zu verhandeln, für Musiker mit anderen Schwerpunkten jedoch ein eher nebensächliches Argument – auch eine bestimmte Hardware dazu. Beispielsweise ein 5-Oktaven-Keyboard als „mindeste“ Ausdrucksmöglichkeit, die dem Musiker unmittelbar zur Verfügung stehen sollte. ]

In Anbetracht des schon fast „normierten“ modernen Analog-Sounds tönt jedenfalls sogar ein Jupiter-6 – seines Zeichens nie ein Vertreter der besonders organisch / warm / über die Maßen beeindruckend klingenden Spezies „Vintage-Poly-Synthesizer“ – überraschend charaktervoll, angenehm erfrischend, unerwartet vielseitig … und zuweilen sogar „modern“.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Ein (beinahe) klassischer Aufbau

Der Jupiter-6 verfügt pro Stimme über:

  • 2 VCOs mit Sync-Funktion und Noise
  • 1 MultiMode VCF (LP/BP/HP)
  • 2 Hüllkurven (ADSR)
  • 1 VCA

Weiters:

  • Portamento / Glissando
  • 1 Main-LFO (LFO-1), u.a. mit Sample/Hold, 0,04 – 100 Hz (!)
  • 1 Performance-LFO (LFO-2), z.B. für Vibrato / WahWah, 1 – 10 Hz
  • Arpeggiator mit UP, DOWN, UP/DOWN bzw. DOWN/UP

Roland Jupiter-6 Synthesizer

  • Solo, Unisono, Poly-1 sowie Poly-2 Betriebsarten
  • WHOLE- und SPLIT-Modus (2 Split-Varianten)
  • Pitch-Bender mit WIDE-Funktion

Anschlüsse:

  • Audio-Out (Balanced und Unbalanced)
  • MIDI (IN / OUT, bei späteren Modellen auch THRU)
  • Diverse CV- und Pedal-Eingänge
  • Kassetten-Interface

Programm-Speicher:

  • 48 Memories (Einzelsounds)
  • 32 Patch-Memories (Einzel- oder Doppelsounds mit allen Performance-Einstellungen)

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Gehen wir direkt auf die Besonderheiten des Jupiter-6 ein. Beginnen wir bei der Performance …

Freestyle-Arpeggios: Das „Spielen“ mit den Klangbausteinen

Auf den ersten Blick mag es enttäuschen: Der Jupiter-6 Arpeggiator bietet UP, DOWN und die Kombination beider Richtungen, allerdings kein Random. Schon der Jupiter-4 anno 1978 hatte Random, so what? Nun, es ist nur so lange ein Verlust, bis man feststellt, dass beim Jupiter-6 die Reihenfolge der gedrückten Noten im Arpeggio sofort berücksichtigt und in Echtzeit umgesetzt wird. So mache man sich sein eigenes Random, on the run und ad hoc – umso besser.

Konkret bietet es sich an, das Keyboard des Jupiter-6 bei aktivem Arpeggiator tatsächlich zu „performen“ – Skalen, Soli oder Tonleitern auf und ab zu spielen, mit und ohne linke Hand … am Keyboard zu improvisieren, um es ganz einfach zu sagen. Der rhythmisch laufende Arpeggiator setzt das Gespielte sofort in abwechslungsreiche Klangbausteine um und animiert zum Erforschen und Erweitern der eigenen Improvisationsfähigkeit. Solche „Freestyle-Arpeggios“ klingen herrlich und garantieren stundenlange Glücksmomente …

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BEND, LFO-2 und das Entstehen der Polyrhythmen

Mit im Boot des Freestyle-Performens ist die BEND- und LFO-2-Abteilung. Hier lassen sich während dem „Spielen des Arpeggiators“ – die für gelegentliche Bass-Töne zuständige linke Hand muss etwas Flexibilität beweisen und bei gestrecktem kleinen Finger den LFO-Trigger-Button und/oder Pitch-Bender betätigen – noch Vibrati, Wah-Wah-Effekte und Note-Bendings einfügen. Alles Elemente, die dem Jupiter-6 Arpeggiator in die Karten spielen, die ihn klanglich vielseitig und damit zu einem beeindruckenden Musikwerkzeug machen.

Und da das Tempo (die Tempi) von Arpeggiator und LFO-2 * naturgemäß nicht identisch ist / sind, entstehen beim Drücken des Trigger-Buttons – LFO-2 steuert VCO und/oder VCF – zudem unterschiedlichste Betonungen/Akzentuierungen und damit spontane Klangverschiebungen bzw. polyrhythmische Gebilde, im akustischen Sinne. Die Glücksmomente rund um den Jupiter-6 steigern sich nochmals um ein gutes Stück …

[ * Dass LFO-2 mit einem Frequenzgang von 1 bis 10 Hz betreffend langsamem Vibrato fast „zu schnell“ schwingt, sei nur am Rande gesagt. Nützlich ist er natürlich trotzdem … ]

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Externe CV- und Trigger-Quellen: Einbindung im Studio-Setup

Wer weiter gehen möchte, kann das Freestylen der rhythmischen Klangbausteine an die analoge (und digitale) Studio-Umgebung anpassen. Eurorack-Module, MIDI-to-CV/Gate Schnittstellen, was auch immer. Analoge Drum-Computer und Jupiter-6 Arpeggiator – CLOCK IN, sowie Step-Sequencer und Jupiter-6 VCF-/VCA-Modulationen – CV IN: Alles geht synchron oder kann gezielt verschoben bzw. rhythmisch versetzt werden.

Neben dem zuvor angesprochenen ARPEGGIO CLOCK IN lässt sich – theoretisch – sogar PATCH SHIFT nutzen, um durch das rhythmische Weiterschalten von Sounds (Patches, um genau zu sein) eine simple Form von Wave-Sequencing zu erhalten. Ursprünglich wohl für einfachere Zwecke gedacht, steht solchen PATCH SHIFT Experimenten nichts im Wege. Es liegt an der eigenen Phantasie, wie weit man geht.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

SPLIT-Mode und Dual-Arpeggiator: Der „Super Juno-60“?

Ein wesentlicher Teil der Euphorie rund um den Jupiter-6 kommt just in dem Moment auf, in dem der Musiker von WHOLE- in den SPLIT-Modus wechselt. Hier stehen auf Wunsch zwei Arpeggiatoren simultan zur Verfügung hat. So stellt man (als Beispiel) bei LOWER ein Arpeggio ein, drückt HOLD, wechselt in den UPPER Sound und frönt des Freestyle-Arpeggios „zum“ bereits laufenden Arpeggio.

Genau an dieser Schnittstelle können sie nun entstehen, die echten Polyrhythmen. Hat das LOWER Arpeggio ein Muster mit 4 Tönen, kann man beim UPPER Arpeggio 5 Tasten drücken und so das Rennen „Quartole gegen Quintole“ starten. Tatsächlich erklingen ja ohnehin immer nur 2 Töne „gleichzeitig“, mangelnde Polyphonie ist betreffend Arpeggiator(en) also kein großes Thema. Erweitern lässt sich der Ringkampf um die Elemente RANGE (unterschiedliche Oktave-Wahl für UPPER / LOWER) bzw. Arpeggio-Mode (unterschiedliche Laufrichtung für UPPER / LOWER).

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Unter diesem Gesichtspunkt – Dual-Arpeggiator in Echtzeit – erscheint uns der Jupiter-6 wie ein „Super Juno-60“ (der schon einen großartigen Klang und durch den Arpeggiator auch einen entsprechenden Fun-Faktor hat). Gesteigert wird das Plus des Jupiter-6 jedoch nochmals durch zwei Dinge: Erstens kann im SPLIT-Modus die Performance von Bender / LFO-2 für UPPER und LOWER individuell ein/ausgeschaltet werden. Sehr nützlich für „wildes“ Pitch-Bending (UPPER) zu einem „ruhigen“ Arpeggio-Muster (LOWER), nur als Beispiel. Zweitens bietet der Jupiter-6 ganz einfach ein deutlich höheres Maß an Klang-Variationen und Sound-Einstellungen …

Flexible VCOs, MultiMode VCF, gute ENV-Routings: Reichhaltige Klänge

Damit zu den klangtechnischen Möglichkeiten des Instruments. Beginnen wir bei den Hüllkurven. Sie sind zwar klassisch ausgelegt (ADSR für VCF und VCA), können aber an unterschiedlichster Stelle des Jupiter-6 zum Einsatz kommen und zudem positiv / negativ arbeiten (ENV-1).

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Kurzes Beispiel der architektonischen Flexibilität: Man nütze ENV-2 für VCA und VCF zugleich, womit ENV-1 von der Klangformung entkoppelt wird und nun unabhängig bzw. ganz gezielt in der Oszillator-Abteilung zur Verfügung steht. Dann drehe man die Hüllkurve um (negative Polarität) und verwende sie beispielsweise für Oszillator-FM (VCO-1 bzw. VCO-2 einzeln oder zusammen), PWM und CROSS MOD (Hüllkurve steuert die „Stärke“ der Cross-Modulation). Sehr fein.

Das Filter des Jupiter-6 ist – eine Rarität bei Roland – als MultiMode VCF ausgelegt. Es kann als LowPass-, BandPass- oder HighPass-Filter arbeiten und lässt sich durch ENV-1 (oder ENV-2), LFO-1 (mit Random), LFO-2, Key Follow (bis 120%), dem Pitch-Bender und einem externen Signal (VCF CV IN) modulieren. Etwas speziell – und mit Vorsicht zu genießen – ist die Filter Resonanz. Sie erzeugt bei hohen Werten zwar extrem schöne Obertöne, kann im selben Augenblick jedoch sehr heftige Feedbacks ins Klang-Geschehen bringen. Hier sind Geduld und Fingerspitzengefühl beim Einstellen der Resonanz erforderlich.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Betreffend Oszillatoren scheiden sich wohl ein wenig die Geister. Als Besonderheit lassen sich beim Jupiter-6 die Wellenformen von VCO-1 / VCO-2 nicht nur einzeln, sondern alle gemeinsam bzw. in völlig beliebiger Kombination gleichzeitig aktivieren. Interessanterweise wird jedoch bei zunehmender Anzahl an Wellenformen der Signalpegel nicht proportional lauter, was die Effektivität dieses Features doch etwas schmälert.

Außerdem lassen sich die Wellenformen nur aus- und einschalten, eine stufenlose Mischung zum Einstellen der (nach persönlichem Geschmack) „perfekten“ Wellenform ist jedoch nicht möglich. Zudem hat NOISE – bei genauem Hinhören – ein etwas seltsames Rauschverhalten. Hier gibt es definitiv Synthesizer mit „schöneren“ Noise-Generatoren – wie etwa der Jupiter-4, um ihn noch einmal als Beispiel zu nennen. Allerdings seien diese Aspekte lediglich am Rande gesagt, denn der Jupiter-6 hat im Gegenzug sehr (sehr) viele positive Extras zu bieten …

Roland Jupiter-6 Synthesizer

So lässt sich im UNISON(O) Modus die Spreizung der Oszillatoren und damit die Dichte des Klanges steuern. Weiters ist Oszillator-SYNC in „beide“ Richtungen erlaubt (VCO-1 > VCO-2 oder VCO-2 > VCO-1), was angesichts der unterschiedlichen Ausstattung der VCOs betreffend Wellenformen und Frequenzmöglichkeiten ein hervorragendes Feature ist. Zwecks Live-Steuerung des Sync-Effektes per Hand (oder zum manuellen Erzeugen von Schwebungen / Intervallen) können VCO-1 und VCO-2 im Pitch-Bend-Bereich übrigens separat aktiviert / deaktiviert werden. Und schließlich bieten die FM-Möglichkeiten beider Oszillatoren durch CROSS MOD, LFO-1 und ENV-1 ein zusätzliches, weites Feld an Gestaltungsmöglichkeiten.

Noch beeindruckender ist jedoch der enorme Frequenzumfang des Instruments. Erstens kommen die VCOs mit 32 Fuß um eine Oktave tiefer als die des Jupiter-8. Zweitens bietet VCO-2 beim Jupiter-6 neben dem LOW-Modus einen eigenen HIGH-Modus. Und drittens können Klänge mittels WIDE-Funktion des Pitch-Benders (+/- 3 Oktaven) direkt in den Sub-Audio- / Hyper-Audio-Bereich geschickt werden, was grundsätzlich sehr spannend und z.B. auch in Verbindung mit SYNC und CROSS MOD sehr effektiv ist. Speziell die Grenzbereiche des Hörbaren sind interessante Betätigungsfelder für Klang-Experimente.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

SOUND des Jupiter-6

All die technischen Details lassen erahnen, dass der Sound – wenig überraschend – sehr vielseitig sein kann. Bei entsprechender Programmierung und Einbindung der mannigfachen Performance-Angebote präsentiert sich der Jupiter-6 als Fast-Alleskönner im analogen Bereich. Mehr noch, als Fast-Alleskönner im analogen Bereich, der auch überraschend modern (!) zu klingen vermag.

Besonders markant ist der analoge Charakter im nicht gestimmten Zustand. Wir lassen die TUNE-Funktion meist unberührt, denn dann bieten die Jupiter-6-Klänge ein „Fest der Schwebungen und Phasenauslöschungen“. Zudem erlauben die weiträumig verfügbaren Audio-Frequenzen und die vorbildlich langen Hüllkurven-Zeiten (ideal für psychedelische Pads) schöne Experimente in musikalischen Grenzbereichen.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Grundsätzlich ist der Klang natürlich „klassisch Roland“. Etwas „ölig“ und mit einer feinen Prise Weichzeichner – wie es eben so üblich ist bei vielen Poly-Analog-Synthesizern mit Subtraktiver Synthese. Dicke Bässe, Sägezahn-Leads und PWM-Klangteppiche gehören jedenfalls zum Kleinen Ein-Mal-Eins im Repertoire des Jupiter-6. Durch die Vielzahl an besonderen Features kommen jedoch in fast allen Einsatzgebieten nochmals Extras hinzu, die den entscheidenden Schritt „weiter“ als ein Juno-60 und teils auch „weiter“ als ein Jupiter-8 gehen.

Zu den hervorragend klingenden Brot- und Butter-Sounds der analogen Ecke gesellen sich so noch mystische Drohnes, extreme Sync-Sounds, experimentelle Filterbewegungen, bizarre Cross-Modulationsgebilde, unerwartete Audio-Grenzbereich-Expeditionen und viele weitere musikalische Ausdrucksfelder. Künstlerische Details, die den Jupiter-6 – obwohl mit Erscheinungsjahr 1983 bereits 40 Jahre alt – zu einem  beachtlich umfassenden und mächtig klingenden Musik-Werkzeug machen, das selbst im Jahr 2023 zu überzeugen vermag.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Roland Jupiter-6 Synthesizer

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Fazit

In Anbetracht der exorbitanten Gebrauchtmarkt-Preise eines Jupiter-8 erscheint der etwas kleinere Jupiter-6 im Moment fast wie ein Bargain, ein Schnäppchen (in diesen – ohne Widerrede – überteuerten Zeiten). Meist zwischen 5.000 und 8.000 Euro liegen die zahlreichen Angebote auf Reverb und anderen Plattformen. Damit ist der nach wie vor mittelmäßig populäre Jupiter-6 beinahe auf Gleichstand mit dem Jupiter-4, welcher in seinem Ansehen / Marktwert enorm aufgeholt und damit auch preislich „Kultstatus“ erreicht hat.

Doch die Zahlenspiele sind von geringer Bedeutung. Auch das speziell für den Jupiter-6 entwickelte Synthcom EUROPA Upgrade oder das neue Tauntek Firmware Upgrade sind nicht die Punkte, die uns allzu wichtig erscheinen (wenngleich natürlich äußerst angenehme Zusatz-Features ins Spiel kommen wie MIDI CC oder MIDI Clock für den Arpeggiator). Entscheidend ist jedenfalls der flexible Grundklang des Instruments, wie auch die flexible Performance. Die Symbiose beider Aspekte macht den Jupiter-6 zum besonderen Analog-Poly-Synthesizer, den es jedoch für manche Musiker – möglicherweise – erst noch zu entdecken gilt.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Im Vergleich zum Juno-60 klingt der Jupiter-6 etwas weniger „warm“ und hat – sehr erstaunlich – auch (minimal) weniger Druck. Dem gegenüber bietet der Jupiter-6 allerdings die deutlich interessanteren Klangmöglichkeiten (2 VCOs statt 1 DCO pro Stimme, Osc-Sync, Cross-Mod, 2 LFOs, längere und kürzere Hüllkurvenzeiten + Key Follow Funktion, MultiMode VCF etc.) und verfügt über SPLIT-Sounds bzw. einen Dual-Arpeggiator.

Auch verglichen mit dem Jupiter-8 ist der Klang nicht so „wuchtig“ bzw. „voll“. Der Jupiter-6 geht etwas mehr in Richtung Electro. Das gegenüber dem Jupiter-8 weniger elegante Layout muss man in Kauf nehmen, ebenso wie die etwas günstigere Hardware, das Fehlen einer LAYER-Funktion und von Stereo-Ausgängen. In der Tat: Der Mono-Ausgang entpuppt sich als die vielleicht größte Schwachstelle des Jupiter-6. Ein getrenntes Abgreifen der SPLIT-Sounds – im Recording oft unerlässlich – ist nicht möglich, auch nicht via Headphones. Es bleibt beim Mono-Signal.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Dennoch: In Summe wiegen die vielen Extras die Mehrheit der Minuspunkte doch wieder auf und bringen den Jupiter-6 in eine Liga, die nur „ihm“ zusteht. Er ist eben ein eigenständiges Instrument, das – Vergleiche zu anderen Roland-Klassikern hin oder her – eine enorme Klangvielfalt bereit hält und so manchem aktuellen Synthesizer, vor allem aber dem zur Zeit etwas uniformen NEW MODERN ANALOG SOUND, sehr überzeugend die Stirn bieten kann.

Große Worte, denn unsere eigene Euphorie über den bisher etwas unbeachteten Jupiter-6 ist relativ neu. Jupiter-4? Sehr viel Charakter, ein einzigartiges Instrument. Jupiter-8? DER Synthesizer, ein weltweit anerkannter Klassiker. Und Jupiter-6? Lange Zeit „Funkstille“. Erst Anfang 2023 – sehr spät – sind wir seinem Charme erlegen. Allem voran durch seinen vielseitigen, druckvollen, zuweilen auch modernen und etwas psychedelischen Klang, sowie durch seine umfassenden und flexiblen Performance-Möglichkeiten.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

Dabei sind es auch äußerliche Details, die nun gefallen. Mit nur 16 kg ist der Jupiter-6 relativ leicht – verglichen zu den 22 kg eines Jupiter-8 oder 25 kg eines Elka Synthex. Weiters ist das Roland-Logo rückseitig in voller Pracht zu sehen (keine Kühlrippen) und die kleinen, illuminierten Tipptaster des Jupiter-6 verströmen im Dämmerlicht des Studios eine sehr „moderne“ Aura.

Das ab Werk integrierte MIDI-Interface trägt – ungeachtet seiner minimalistischen Möglichkeiten – ebenso zur Freundlichkeit des Synthesizers bei. Schließlich aber ist der Stromverbrauch des Jupiter-6 erstaunlich gering. Mit bescheidenen 30 Watt Leistungsaufnahme * darf das Instrument als zukunftstauglich bzw. – um es mit aktuellen Worten zu sagen – als Green-Deal Synthesizer bezeichnet werden.

Roland Jupiter-6 Synthesizer

[ * Bescheiden im Vergleich zu den 90 Watt eines Jupiter-8, zu den 110 Watt eines Memorymoog oder zu den 85 Watt eines Arturia PolyBrute … ]


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50+ Minuten Audio-Demos sind angefügt. Mit Ausnahme der „Mix“ Files ist in allen Klangbeispielen ausschließlich der Jupiter-6 zu hören. Als „Xtra“ sind noch zwei Beispiele mit Vintage Roland Effekten angefügt: Dem RV800 Spring Reverb und dem PH830 Stereo Phaser.

Audio-Processing: Singletrack- und Multitrack-Recording in Audacity.

Roland Jupiter-6

(1983 – 1985)

Polyphoner Analoger Synthesizer mit 6 Stimmen (12 VCOs),
SPLIT-Mode und Dual-Arpeggiator sowie
MIDI

Vergleiche / Links:
Testbericht Roland Jupiter-4
Testbericht Roland Jupiter-8
Testbericht Roland Juno-60

Open / Download:
Roland Jupiter-6 Front View (4000 x 2400px)
Roland Jupiter-6 Back View (4000 x 2400px)

Youtube Videos:
Roland Jupiter-6 Demo (by rimela)

Jupiter-6: The Dystopian Synth (by Alex Ball)

Hintergrund und Wissenswertes zum Roland Jupiter-6:

  • Er ist – neben dem JX-3P – der erste Roland Synthesizer mit MIDI-Interface. Der glorreiche „MIDI Moment“ erfolgt auf der NAMM-Show im Januar 1983, als ein Jupiter-6 und ein Prophet-600 erstmals via neuer Schnittstelle kommunizieren.
  • Er legt den Grundstein für Rolands PATCH Preset System. Zwar gibt es bereits beim Jupiter-8 Patch Presets, doch diese speichern nur die Kombination von 2 Memories samt eingestelltem Key-Mode. Beim Jupiter-6 werden die Memories zusammen mit (fast) allen Performance-Einstellungen – Key-Mode SPLIT 4-2 / SPLIT 2-4 oder WHOLE, Pitch-Bend / LFO-2 On/Off, Portamento / Glissando, Arpeggiator, Unison und VCO-Spread – als PATCH Presets abgespeichert. Sehr modern und ein klarer Schritt Richtung Live-Performance. Das PATCH System hat bei Roland Synthesizern bis heute Gültigkeit.
  • Via MIDI können SPLIT Patches auf getrennten MIDI Kanälen und bei vollem (!) Tastaturumfang angesprochen werden. So lassen sich am Jupiter-6 – wenn auch nur über eine externe Steuerung – doch noch LAYER Sounds erzeugen. (Ob dies mit einer bestimmten MIDI-Version zusammen hängt – spätere Modelle? – entzieht sich unserer Kenntnis.)
Kategorie 2023, Featured, Testberichte

“Es genügt, einen Ton schön zu spielen” sagte der Komponist Arvo Pärt im Jahre 2005. Diese Aussage ist ebenso einfach wie ich auch exzellent: Es braucht kein Meer an Tönen, denn entscheidend ist der Klang. Dass so mancher Vintage-Synthesizer der 70er und 80er Jahre teils unerreicht hochwertige Klänge liefert, steht außer Frage. Doch tatsächlich leben wir “heute” in einer nahezu perfekten Zeit. Einerseits hat man – mehr oder weniger – noch Zugriff auf die Vintage Analogen, andererseits wird auch bei Neugeräten die wichtige Komponente des hochwertigen Klanges wieder zunehmend berücksichtigt. Doepfer, Cwejman, Synthesizers.com, MacBeth, Moog, GRP, Studio Electronics, COTK, John Bowen und andere Hersteller bauen hervorragende Synthesizer, die den “Klassikern” in nichts nachstehen. All diesen (alten wie neuen) “großartigen” Instrumenten ist Great Synthesizers gewidmet. _________________________________________________________ In 2005 composer Arvo Pärt said: “Playing one tone really well is enough”. In other words, it is sufficient to play one tone 'beautifully'. I agree with that. All musical efforts are focused on the sound itself. Although I studied classical music (piano and drums), it’s the electronic sound that inspires me. Synthesizers are the epitome of new sounds and exciting tonal spheres. Today, many companies produce high-quality - excellent! - synthesizers: Doepfer, Cwejman, MacBeth, Moog, GRP, Synthesizers.com, COTK, Studio Electronics, John Bowen and others. It's their products I'm really interested in ... apart from Vintage Synthesizers, which I have been collecting for 20 years. Subsequent to our former websites Bluesynths and Blogasys, Peter Mahr and I have now created GreatSynthesizers. We hope you like it.

4 Kommentare

  1. Allein für die sau guten Fotos hat es sich schon gelohnt den Bericht zu lesen. Tolles Design von Roland. Soundbeispiele auch wie immer Top, danke!

  2. Martin

    Für viele ist der JP6 der bessere JP8! Das liegt u.a. aus viel weiter fortgeschrittenen Oszillatorsync-Möglichkeiten in Verbindung mit Cross- und FM-Modulation. Leider gibt es nur einen Mono-Ausgang, so dass man das Signal extern (z.B. über ein Stereo-Delay) auf Stereo bringen muss. Vielen Dank für diesen hervorragenden Test, der dem Instrument absolut gerecht wird!

  3. SE-Noises

    Sehr interessanter Bericht!
    Besteht die Möglichkeit, die „EXT CONTROL“-Eingänge für VCA und VCF von einer DAW anzusteuern anstelle von Pedalen?

  4. Theo Bloderer

    … das geht mit einem MIDI-to-CV Interface, z.B. mit dem Kenton Pro Solo oder Pro 2, dem Vermona qMI2 oder einem anderen Modell. Ein „Must Have“, wenn man Vintage Analog-Synthesizer (von denen viele CV-Steuer-Eingänge besitzen) im Studio hat. So lässt sich im Falle des Jupiter-6 die Lautstärke und/oder die Filterfrequenz über MIDI steuern. LG …

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