Bitte kurz die Hand heben, wer einen Vintage Mono-Synthesizer kennt, der „mehr“ Klangfarben bietet als ein OSCar … Niemand? Wunderbar, dann sind wir uns in diesem Punkt schon einig. Ganz Schlaue würden natürlich umgehend antworten, dass der OSCar nicht (nur) monophon, sondern duophon ist, doch wie dem auch sei: Willkommen zum britischen Fetisch-Synth, der bis heute zu den ungewöhnlichsten Kreationen der Musikgeschichte zählt.
Die Ursprünge des OSCar reichen zurück in das Jahr 1977. Synth-Designer Chris Huggett sowie Keyboarder Adrian Wagner fassten den Entschluss, einen kostengünstigen Synthesizer zu bauen und gründeten hierzu die Firma Electronic Dream Plant (EDP). Huggett erkannte, dass das neue Instrument – mit Ausnahme des analogen Filters – gänzlich mit Digitaltechnik zu realisieren war. Der EDP Wasp ward geboren und mit Hilfe eines Londoner Musikgeschäftes (Rod Argent’s Keyboard Store – finanzielle Unterstützung und Vertrieb) startete ab 1978 der kurze Siegeszug des Plastik-Synthesizers mit Folientastatur.
Während nun Musiker/innen rund um den Globus den Wasp im Einsatz hatten (vor allem im Studio, seltener auf der Bühne), nahmen die Probleme bei Verkauf und Service des Wasp zu. Einerseits waren die Produktionskosten höher als erwartet. Andererseits wurde der billig gebaute Wasp im Fall eines technischen Defekts einfach ersetzt (und nicht repariert), weshalb sich die Lagerräume in Rod Argent’s Keyboard Store mit kaputten Wasps füllten. Außerdem wuchs die Konkurrenz: Relativ günstige Synthesizer aus Japan und den USA (wie etwa Korg MS-10, Roland SH-09, Moog Prodigy) fluteten die Märkte, was letztlich zum Niedergang von Electronic Dream Plant führte *.
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[* Andere Produkte von EDP wie Spider Sequencer, Gnat Synthesizer, Wasp Deluxe oder Caterpillar Keyboard konnten keine Abhilfe schaffen und das Blatt wenden. Ungeachtet dessen zählt der EDP Wasp zu den großen Meilensteinen der Geschichte, da er wie kaum ein anderes Instrument einem breiten Publikum den Kauf des ersten „eigenen“ Synthesizers ermöglichte. Er war günstig, bunt, transportabel, leicht zu bedienen und mit Batteriebetrieb / Lautsprecher völlig autark.
Nebenbei klang der Wasp sehr gut. Dass der Plastik-Synthesizer zudem – wie alle Produkte von EDP – eine digitale (!) Schnittstelle hatte, sei nur am Rande erwähnt. Viele Jahre vor Einführung von MIDI konnte der Wasp bereits digital mit Sequencer (Spider), Masterkeyboard (Caterpillar) oder anderen EDP Synthesizern kommunizieren. So wurden zu Demo-Zwecken 50 Wasps über ihre 7-polige LINK Buchse(n) in Serie verbunden und gemeinsam zum Erklingen gebracht. ]
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Nach dem Niedergang von Electronic Dream Plant im Jahr 1982 gab Chris Huggett jedenfalls nicht auf. Er startete ein neues Projekt und entwickelte – mit Unterstützung des Sound-Programmierers Paul Wiffen (der heute Filme macht) und des Designers Anthony Harrison-Griffin (der bereits den EDP Gnat entwarf) – einen weiteren vorwiegend digitalen Synthesizer, diesmal mit dualem (Analog) Filter. Speicherbarkeit, Sequencer, Arpeggiator, Duophonie und die besondere Möglichkeit, eigene Wellenformen zu erschaffen (additive Klangformung) zeichneten das Instrument aus.
Mit finanzieller Unterstützung seiner Eltern gründete Huggett das Unternehmen Oxford Synthesiser Company und brachte schließlich 1983 den OSC OSCar auf den Markt. Erneut übernahm das Londoner Musikhaus Rod Argent’s Keyboard Store den Vertrieb (und war – laut Literatur – das einzige Geschäft, in dem man den OSCar direkt / vor Ort kaufen konnte). Der hybride Synthesizer klang fantastisch und entwickelte sich – ungeachtet seines hohen Preises (der auf Augenhöhe mit dem polyphonen Roland Juno-6 lag) – zum Kult-Instrument.
Dass der OSCar in vielen Punkten „einmalig“ ist, zeigt sich schon in der Philosophie, die dem Instrument zugrunde liegt:
„The philosophy behind the design has been to retain the fine resolution and powerful sound of analogue synthesis in a virtually „all digital“ microprocessor-based system.
The digital design eliminates the drift in parameters and the continual „setting up“ required in analogue systems. Tuning is quartz crystal derived and is very stable and accurate (no need for „auto-tune“); pre-programmed voices remain exactly as they were set originally.
The use of a microprocessor allows many complex functions (many of which would not otherwise be possible), to be called up at the touch of a button. Facilities like the arpeggiator, the sequencer and waveform creation are all built in and easy to use.“
(OSCar User Manual, Introduction 1.1)
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Nun, das „easy to use“ sei dahingestellt (wo sich gerade der OSCar in so manchen Bereichen durch seine kryptische Bedienung auszeichnet), doch der Rest ist korrekt: Die hybride Philosophie des OSCar ist einmalig, denn wie kein anderes monophones Instrument ermöglicht er musikalische Gestaltungsprozesse, Klangkreationen und Soundexperimente, die weit (!) über den Horizont der üblichen (Analog) Synthesizer hinausgehen.
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Mit etwas Erstaunen sei an dieser Stelle erwähnt, dass der OSCar ein „speicherbarer Minimoog“ werden sollte. Zwar gab es bereits einen solchen Synthesizer am Markt – den 1981 erschienenen Moog The Source -, doch dieser verfehlte sein Ziel ganz klar. Ironie pur, dass nun ein The Source ausgeschlachtet wurde, um in seinem Gehäuse den OSCar entstehen zu lassen. [ Die Fotos anbei zeigen den restaurierten Prototypen des OSCar. ]
Äußeres
Entgegen dem Aluminium/Holzgehäuse des OSCar Prototypen (aka Moog The Source) wurden die Seriengeräte in erster Linie mit Plastik und Gummi realisiert. Design und Materialwahl des OSCar sind so ungewöhnlich, dass man in der Tat von einem einmaligen Fetisch-Synth sprechen darf. Die dicken Seitenteile beherbergen zur Linken Stromanschluss und Power-Switch, zur Rechten Trigger-Verbindung/Kassetten-Interface sowie den Audio-Ausgang. Rückseitig gibt’s noch MIDI, das – keine große Überraschung – erst nachträglich in das Design integriert wurde.
Ein kleiner Vorteil des gummiartigen Materials: Es macht den OSCar leicht. Ein großer Nachteil: Es verformt sich im Laufe der Jahre / Jahrzehnte. Die Begrenzungen zwischen den Modul-Bereichen werden bröselig, stehen häufig ab und können brechen, die Gummi-Abschlüsse zur Tastatur hin verlieren ihre Form (berühren zuweilen das Keyboard) und speziell das rechte, dicke Seitenteil klemmt bei manchen Exemplaren die hohe C-Taste ein – siehe Foto. Darüber hinaus kann die gesamte Plastik-Oberfläche des OSCar eine schiefe oder wellige Optik entwickeln …
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… was im Klartext bedeutet, dass ein Teil der heute noch existierenden OSCars keine wirkliche Augenweide ist. Verformungen aller Art, ungerade Oberflächen, abgekratzte Beschriftungen, gebrochene Gummiteile … man muss schon etwas Geduld haben, wenn man sich auf die Suche nach einem „schönen“ OSCar begeben möchte (das nur als kleiner Hinweis). Und damit endlich zum …
Aufbau des OSCar
Grundsätzlich ist das Layout des OSCar klassisch strukturiert. Es erleichtert dem Musiker / der Musikerin umgehend die Orientierung am Instrument, scheint sich der quasi-analoge Mono-Synthesizer doch zunächst kaum von anderen Instrumenten à la Moog, ARP, Oberheim, Sequential, Roland, Yamaha, Korg … zu unterscheiden. Oberflächlich verfügt der OSCar über:
- 2 digitale Oszillatoren (TRI, SAW, SQU, Var PULSE, PWM)
- 2 kombinierte analoge Filter (ergeben dann LP, BP, HP)
- 2 ADSR Hüllkurven (klassisch für Filter und Amp)
- 1 Haupt-LFO (TRI, SAW, SQU, Random)
- Noise (stufenlos mit Osz. mischbar)
Damit lässt sich bereits eine Vielzahl an Sounds realisieren. Was den OSCar jedoch gegenüber anderen Synthesizern auszeichnet …
… sind die weiteren Extras der Klanggestaltung, die teils nur durch das hybride Konzept ermöglicht werden (wie wir in der „Philosophie“ zum OSCar bereits in Erfahrung bringen durften):
- 2 zusätzliche LFOs, die für die PWM von Oszillator 1 / Oszillator 2 zuständig sind
(sehr dichte Klänge möglich, es gibt allerdings keinen Zugriff auf diese LFOs) - 5 zusätzliche Factory-Wellenformen für die Oszillatoren
(Full Organ, Harpsichord, Strong Lead, Double Pulse, Triple Pulse) - 5 zusätzliche User-Wellenformen für die Oszillatoren
(Zusammenstellung der Harmonischen und Speicherung der Wellenformen) - Präzise Tune- und Transpose-Funktionen in Verbindung mit der Tastatur
(für beide Oszillatoren unabhängig einstellbar) - Zahlreiche Glide (Portamento, Glissando) Einstellungen
- Speicherbare PitchBend / ModWheel Einstellungen pro Sound
- Zahlreiche Env-Repeat-Optionen, weiters Delay-Funktion der Filter-Hüllkurve
- Step-Sequencer mit Eingabe von Noten/Pausen, Legato, Loop-Punkten, Program-Change und mehr; separat speicherbar und über Trigger oder MIDI synchronisierbar
- Arpeggiator, dessen Noten aufgezeichnet und direkt mit dem Sound abgespeichert werden können; ebenfalls über Trigger oder MIDI synchronisierbar
Klangliche Besonderheiten
An erster Stelle sei das OSCar Filter genannt. Oder: Die Filter. Da wir deren Zusammenspiel bis heute selbst nicht so „ganz“ verstanden haben, greifen wir an dieser Stelle auf die Erklärung von Matthias Becker zurück:
„Zur Nachbearbeitung des klanglichen Rohmaterials steht ein Multimode-Filter mit den Betriebsarten LOWPASS, BANDPASS und HIGHPASS – jeweils mit und ohne Keyboard Tracking – zur Verfügung. Eigentlich besteht die Filtersektion des OSCar aus zwei Filtern mit jeweils 12 dB/Oktave Flankensteilheit, die sich wahlweise in Serie oder parallel schalten lassen. Im LOWPASS- und HIGHPASS-Modus (seriell) ergibt sich dann eine Filtersteilheit von 24 dB (SEPARATION = 0), im BANDPASS-Modus (parallel) beträgt sie nur 12 dB.
Die Eckfrequenzen beider Filter werden durch den CUTOFF-Regler und die Filtermodulation zwar gleichzeitig beeinflusst, jedoch können sie mit Hilfe des SEPARATION-Reglers auseinandergelegt werden. Im LOWPASS- und HIGHPASS-Modus bewirkt eine Erhöhung des SEPARATION Wertes eine Verminderung der Filtersteilheit (bis hin zu 12 dB bei voll aufgedrehtem SEPARATION-Poti). Im BANDPASS-Modus bestimmt die Position des SEPARATION-Potentiometers die Bandbreite des Filters. Bei höheren Q-Werten sind besonders in der BANDPASS-Betriebsart ganz deutlich zwei Peaks hörbar. Für die Klangformung ergeben sich durch die SEPARATION-Funktion Möglichkeiten, die deutlich über die eines normalen Filters hinausgehen. So lassen sich im BANDPASS-Modus u. a. recht überzeugende Vokallaute simulieren.“
(Matthias Becker, Synthesizer von gestern (VOL 2), Seite 134)
In diesem Zusammenhang muss noch das VOLUME Poti genannt werden, das in einer zweiten Funktion für den FILTER (Over)DRIVE zuständig ist. Dieser lässt sich (durch gleichzeitiges Drücken der STORE-Taste) stufenlos einstellen und sorgt bei höherem Wert für einen übersteuerten Sound – was zu den herausragendsten Klangeindrücken und zum wilden, ungezähmten, aggressiven Charakter des OSCar führt, der unter anderem in den angefügten 40+ Minuten an Klangbeispielen in vielen Variationen zu hören ist.
Das bzw. die Filter des OSCar sind definitiv einzigartig und bei keinem anderen Synthesizer der Geschichte – auch nicht annähernd – in dieser Qualität zu finden. Sie können für eine unglaubliche Lebendigkeit sorgen, für Klänge bzw. Klangverläufe, die kein anderes Instrument zu produzieren in der Lage ist. Ironie pur, dass der mehrheitlich digitale Synthesizer durch seine Filter zuweilen deutlich analoger klingen kann als so mancher Vollblut-Analog-Synth selbst. Während nun die Erklärung für den überzeugenden Analog-Sound im Filterbereich zu finden ist …
… findet man die Ursache für den nicht minder überzeugenden Digital-Sound im Oszillator-Bereich, Stichwort spezielle Wellenformen / additive Synthese und mega-scharfes Tuning. Dabei ist das Programmieren eigener Wellenformen eine Besonderheit unter den Mono-Synthesizern, die nur der OSCar zu bieten hat. Durch Festlegen von Harmonischen und deren Lautstärke(n) kann der Benutzer eigene „Waves“ schaffen, selbige abspeichern und diese (auf Wunsch natürlich stets neu reproduzierbaren) Wellenformen als Basis für immer neue Sounds verwenden.
Für das digitale Klangverhalten nicht minder wichtig ist das präzise OSCar Tuning. Im FINE Tune Nullpunkt erklingen die Oszillatoren absolut brillant, ohne den Hauch einer Schwebung. Dies geht in Kombination mit dem einmaligen Filter-Design zuweilen sogar so weit, dass der OSCar noch überzeugender digital klingen kann als so mancher Digital-Synthesizer selbst. Ein etwas surrealer Gedanke, schon klar, dennoch: Der digitale Charakter des OSCar (synthetische Wellenformen plus messerscharfes Tuning) wird durch das monströse Filter klanglich in jene Sphären verstärkt, von denen viele Digitalsynthesizer im besten Fall nur träumen können.
Die seltsame – aber geniale – Kombination von Analog- und Digitaltechnik führt nun dazu, dass sich mit diesem Synthesizer eine solche Fülle an Klangfarben erzeugen lassen, wie mit keinem anderen Mono-Synthesizer der Vintage-Ära. Der OSCar kann im übersteuerten Modus einem Minimoog sehr nahe kommen (was ja sein ursprüngliches Ziel war) und Bässe, Leads etc. vom Feinsten erzeugen. Zudem gibt es Sequencer-Sounds und Solo-Klänge aller Schattierungen, merkwürdige digital-analog (oder analog-digital) Mutationen, für deren Beschreibung schlichtweg die Worte fehlen.
Wie gut, dass es für all die Sounds 36 Speicherplätze gibt. Aufgerufen bzw. abgespeichert werden die Klänge – welch geniale Idee – über die Keyboard-Tasten. Auch 22 Sequenzen können im OSCar abgelegt werden. Sollte der Platz nicht mehr ausreichen – was relativ rasch der Fall sein dürfte -, gibt es ein Kassetten-Interface, um mit dessen Hilfe ganze Bibliotheken an Klängen auszulagern. Musiker in der künstlerischen (und finanziellen) Größenlage eines Stevie Wonder haben sich damit natürlich gar nicht abgegeben und einfach Massen an OSCar-Sounds in ihr Synclavier gesampelt.
Vielschichtige Realitäten des OSCar
Während im musikalischen Bereich noch gar nicht alle Stärken es OSCar genannt wurden – experimentelle Klänge rund um LFO, Glide, Envelope-Delay-Time, Trigger-Optionen beispielweise -, wenden wir uns nun den vielschichten Realitäten des OSCar zu. Diese machen eine gesamtheitliche Beurteilung des Instruments schwierig. Soll anno 2025 zum Erwerb eines OSCar geraten werden? Betrachtet man die etwas „heiklen“ Bereiche des Synthesizers, ist eine klare Stellungnahme nicht einfach. Daher die folgenden Hinweise und Einblicke – ein abschließendes Urteil zum OSCar darf jeder Interessiert dann selbst treffen …
Starten wir mit der Bedienung. Die oberflächliche Klanggestaltung erfolgt am OSCar ganz direkt und relativ mühelos. Geht man ins Detail, wird es kompliziert. Schon die Extra-Wellenformen scheinen namentlich nicht auf, ergo bedarf es eines Blickes in das – hoffentlich vorhandene – User Manual, um nicht unnötig im Blindflug zu arbeiten. Dabei sind die Wellenformen ja noch das simpelste Beispiel, im Bereich der additiven Synthese, Arpeggiator/Sequencer-Programmierung wird es durchaus komplex. Hier spielen die 5 OCTAVE-LEDs, deren Aufleuchten (in welcher Anzahl, in welcher Richtung) eine Art Kommunikation bedeutet, eine wichtige Rolle.
Folglich ist man beim detaillierten Arbeiten am OSCar ohne regelmäßige Übung (und besagtem Handbuch) schnell lost. Einfache Lösung: Die besonders komplexen Dinge übergehen und sich den oberflächlichen Möglichkeiten hingeben, denn die alleine reichen schon oft für des Musikers Glück. Darüber hinaus muss man die (für unseren Geschmack) zu leichtgängige Tastatur des OSCar einfach akzeptieren, ebenso wie die bereits genannten Eigenarten der sich oft lösenden Gummi-Verkleidungen etc.
Womit wir beim Service des OSCar sind. Die Potis müssen irgendwann getauscht werden (wenn nicht: ständige Wertesprünge machen das Programmieren früher oder später unmöglich). Die Batterie muss irgendwann getauscht werden, wobei – unvermeidlich – alle Sounds, Sequenzer-Daten und evtl. auch die User-Wellenformen verloren gehen. Das Kassetten-Interface lässt an dieser Stelle herzlich grüßen. Globales Service ist ab und an nötig, da der OSCar zuweilen absolut „spinnen“ kann – nicht korrekt startet, sich plötzlich ausschaltet, was auch immer.
Damit sind wir bei den Schattenseiten der (an sich so genialen) Hybrid-Technologie angekommen. Der OSCar braucht Fürsorge … und sein Besitzer manchmal besonders gute Nerven. Technische Überraschungen (bleiben wir positiv), die bei einem Minimoog, Korg MS-20, Roland SH-09 (etc.) selbstredend niemals passieren könnten, sind beim OSCar unvermeidlich. Einzige uns bekannte Lösungsschritte: Ab und an ein Allround-Service beim Techniker, sowie regelmäßiges Spielen / Verwenden des OSCar (das lädt die Batterie auf und hält die Potis intakt).
Aus musikalischer Sicht gibt es wenige Kritikpunkte. Was uns seit jeher etwas stört, ist die etwas zaghafte Attackzeit der OSCar-Hüllkurven. Ein zackiger, punktgenauer „Zapp“ fehlt. Besonders im MIDI-Betrieb fällt dies auf, da man die OSCar-Spur eher vorziehen muss, damit der Synthesizer im Gesamtkontext mit anderen Spuren / Drums im Timing passt (immerhin gibt es diese Lösung). Weiters ist das Verwenden des Pitch-Wheels nicht sehr angenehm, da die hohe Gummi-Seitenwand im Weg steht und die Hand schlichtweg zu wenig Platz für die Bedienung hat.
Letzter Hinweis aus der Studio-Umgebung: Das An- und Abstecken von MIDI-Kabeln sei am OSCar mit besonderer Vorsicht gemacht. Einfacher Grund: Die nachträglich hinzugefügte MIDI-Leiste aus Metall ist in das Plastik-Chassis rückseitig nur eingeschoben und definitiv nicht kompromisslos „stabil“. Wie eben die gesamte Hardware am Fetisch-Synth OSCar zwar einmalig, aber eben auch nur eingeschränkt vertrauenswürdig ist.
Der OSCar am Gebrauchtmarkt
Nachdem im Zeitraum von 1983 bis ca. 1986 kaum mehr als 1.000 OSCar gebaut wurden, ist die Situation am Gebrauchtmarkt heute natürlich etwas angespannt. Einfacher gesagt: Man trifft den OSCar nicht alle Tage auf Kleinanzeigen. Öfters zu finden ist er auf den Nobel-Plattformen mit ihren Nobel-Preisen. So schwanken die OSCar-Angebote auf Reverb zwischen ca. 4.500 und 8.000 Euro (wobei deutlich höhere und völlig surreale Angebote natürlich ebenso zu finden sind).
Beachtet man den enormen musikalischen Output, den ein OSCar zu leisten imstande ist, würden wir die Preisregion „um ca. 6.000 Euro“ als durchaus realistisch betrachten. Vorausgesetzt besagter OSCar ist in einem optisch guten – und im Idealfall auch technisch überholten – Zustand. Ein Modell mit MIDI-Version M2 wäre noch sehr zu empfehlen, eines der späteren OSCar-Exemplare. Wer deutlich weniger als 6K investieren möchte, kann auf den PolyOSCar von Behringer warten und wird sich folglich mit „klingt ähnlich wie …“ zufrieden geben. Und was der nun angekündigte PWM OSCar Rebirth mit sich bringt … wir werden sehen.
Fazit
Aus musikalisch-kreativer Sicht ist der OSCar ein unersetzliches Instrument. Sound-Design im Studio ohne den Fetisch-Synth aus UK? Undenkbar! In jedem Fall wäre das Sound-Design ganz sicher unvollständig. Kein Wunder, dass viele Top-Musiker rund um den Globus den OSCar schon kurz nach seinem Erscheinen im Einsatz hatten … und ihn häufig noch heute verwenden. Es gibt schlichtweg keinen Ersatz für das seltsame Hybrid-Konzept des OSCar, das – man muss es mit Bewunderung sagen – eine enorme Klangfülle und musikalische Flexibilität ermöglicht.
Ob man anno 2025 den Kauf eines OSCars tätigen sollte, wir wissen es nicht … ein klarer Ratschlag scheint unmöglich. Technisch gibt es so manche Fragezeichen rund um den OSCar, die Anzahl der sehr gut erhaltenen (und oftmals sehr teuren) Exemplare am Gebrauchtmarkt ist gering, und von modernen Alternativen wie Behringer PolyOSCar oder dem soeben angekündigten PWM OSCar Rebirth ist (erfahrungsgemäß) nicht zu erwarten, dass ihr Sound tatsächlich dem Original entspricht.
Unbestritten ist jedenfalls, dass die Sounds des OSCar zu den herausragendsten, eigenartigsten und zugleich charaktervollsten Klängen zählen, die die Geschichte der elektronischen Instrumente jemals hervorgebracht hat. Aus Sicht des Sound-Designers und Pro-Studio-Musikers dürfte sich der Erwerb eines OSCar somit in jedem Fall lohnen … vorausgesetzt, es besteht Kontakt zu einem fähigen Techniker, der den Synthesizer ab und an mit dem nötigen Service / der nötigen Pflege versorgen kann.
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40+ Minuten Soundbeispiele sind angefügt. OSCar pur, sofern nicht anders angegeben. Angesichts der Klangvielfalt des Fetisch-Synths aus UK darf man jedenfalls staunen: Kein Instrument klingt so wie er …
Oxford Synthesiser Company OSCar
1983 – 1986
Mono/duophoner Hybrid-Synthesizer mit MIDI, Arpeggiator, Sequencer,
Programmspeicher und der Zugabe von additiv erstellten Wellenformen
Links:
OSCar Artikel auf SoundOnSound (Interview mit Paul Wiffen)
OSCar Zone bei Virtual Music (Spezialist zu OSCar Reparaturen)
OSCar Material auf Wer Wirbt Wie (Annoncen, Links …)
PWM (Mantis, OSCar Rebirth)
Download / Open:
OSCar Foto XL (vorne), 4000 x 2800 px
OSCar Foto XL (hinten), 4000 x 2800 px
Youtube:
„OSCar vs PEAK“ by Alex Ball
„OSCar Synthesizer I The New Romance“ by Alex Ball
„Novation // OSCar Giveaway“ by Novation (from 2015)






















