OB-X8: Der BESTE Oberheim? (Teil 1)

Text: Matt Vrazo, Musik: Stephane Garganigo (Barb)

Ich bin ein großer Oberheim-Fan! Irgendwann habe ich alles besessen, was von der ursprünglichen Firma dieses Markenzeichens herausgebracht wurde. Alles, oder zumindest eine Variante davon: Mein Four-Voice (FVS) und meine SEMs deckten in meinen Augen sowohl den Two Voice (TVS) als auch den Eight-Voice ab. Wenn ich mich richtig erinnere, ist das einzige Oberheim-Gerät, das ich noch nie gespielt habe, der Matrix-6, aber ich hatte nie das Gefühl, dabei etwas zu versäumt zu haben.

Oberheim OB-X8

Daher beobachte ich seit einigen Jahren mit großer Freude, wie Oberheim, sowohl Tom Oberheim persönlich, als auch das Unternehmen, wieder Synthesizer herstellen. Seit 2009 bin ich Besitzer des Tom Oberheim SEM #1 (aus Versehen, wie sich herausstellte – ich war früh dran, aber Tom vergaß monatelang, ihn mir zu schicken). Zudem hatte ich eine Anzahlung auf den nie fertiggestellten Son Of 4-Voice geleistet und besitze den Tom Oberheim Two-Voice Pro, den OB-6 (als Rack- und Tasten-Version) und nicht nur einen, sondern zwei OB-X8. Das ist eine Menge Oberheim …

Meine ersten Erfahrungen mit dem OB-X8 waren großartig. Ich machte einige ausführliche A/B-Vergleiche mit dem schönen OB-8, den ich auch hatte. Der OB-8 war zu dieser Zeit mein Lieblingsoberheim, aber die Ähnlichkeiten (und vor allem Verbesserungen) des OB-X8 überwogen bei weitem die klanglichen Unterschiede, so dass ich ein gutes Gefühl dabei hatte, den OB-8 zu verkaufen. Aber dann ging es bergab! Die beiden Wheels des OB-X8 begannen an irgendetwas im Inneren zu reiben und mussten ersetzt werden. Dann bemerkte ich einige Unterschiede in der Lautstärke zwischen der Hauptstimme (LOWER) und der Erweiterungsstimme (UPPER).

Focusrite/Oberheim taten ihr Bestes, um das Problem zu lösen, aber zu diesem Zeitpunkt wurde es als Hardware-Problem dargestellt und keine noch so große Anzahl an Ersatzplatinen konnte das beheben. Die Sache mit der Lautstärke war einer dieser Punkte, der bei einem so hochwertigen Synthesizer eines Mainstream-Unternehmens unentschuldbar ist. Es war auch eines dieser Probleme, die man nicht mehr los wird, wenn man sie einmal gehört hat (… dann hört man sie immer und immer wieder …). Anstatt mich also jedes Mal, wenn ich den OB-X8 einschaltete, darüber zu ärgern, gab ich ihn zurück und wartete weiter auf den Abstrakt VS-1. (Ich warte immer noch darauf … nebenbei gesagt.)

Oberheim OB-X8

Glücklicherweise war ich anscheinend nicht der Einzige, dem die Unterschiede in der Lautstärke der OB-X8 Stimmen auffiel, und so wurde nicht weniger als 4 Monate später ein Software-Update veröffentlicht, das dieses Problem behob. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich den OB-X8 wieder benutzen würde, und diese Zeit ist jetzt gekommen!

Ohne Hardwareprobleme oder sonstige technische Einschränlungen, die meine Erfahrung beeinträchtigten, konnte ich die „neue Synthesizer“-Erfahrung mit dem OB-X8 noch einmal durchleben … und dieses Mal hat er mich sogar noch mehr beeindruckt! Es geht so weit, dass ich jetzt sagen kann: Der OB-X8 ist der beste Oberheim aller Zeiten.

Exsqueezme? Wie bitte? Der beste Oberheim aller Zeiten? Ja! Und hier ist eine Liste von Gründen, warum:

1) Der OB-X8 klingt wie ein Vintage Oberheim

Ja, duh, aber wie? Der „Oberheim-Sound“ besteht für mich nicht nur aus den 2-Pol-Filtern, sondern aus einer Kombination von Filtern, nicht-zu-perfekter Stimmung und der Klangfarbe der Oszillatoren. Über die Filter spreche ich weiter unten, also werde ich hier auf die Stimmung und die Oszillatoren eingehen.

Oberheim OB-X8

Stimmung: Zunächst einige Hintergrundinformationen. Wenn es um das Tuning eines analogen Synthesizers geht, gibt es nicht nur ein, sondern drei Elemente, die dazu beitragen, was wir als Vintage bezeichnen und an analogen Synthesizern mögen (oder nicht): 1) Die chromatische Stimmung, 2) Ungenauigkeiten innerhalb einer Stimme und 3) Jitter.

Erstens gibt es die einfache chromatische Stimmung. Die ist „obligatorisch“ und sorgt dafür, dass eine Stimme die richtigen Noten auf der Tastatur wiedergibt. Wenn dem nicht so ist, wenn sie wirklich „abdriftet“, dann ist das kaum wünschenswert, ganz gleich, wie sehr man sich als Analog-Fan bezeichnet. Kleine Abweichungen – ein paar Cent mehr oder weniger bei jeder Stimme – können jedoch einen angenehmen Klang erzeugen. Und das war seit jeher bei Oberheim-Klassikern der Fall und ein wichtiger Teil des „Oberheim-Brass-Sounds“.

Dann gibt es noch die Ungenauigkeiten innerhalb einer Stimme, zwischen den Oszillatoren selbst. Die meisten traditionellen Polys haben zwei Oszillatoren pro Stimme, was bedeutet, dass es zwei Klangquellen gibt, die nicht immer genau der Tastatur folgen oder nicht ganz identische Pulsbreiten haben, nicht mit der exakt gleichen Phasenlage beginnen wie die zuletzt gespielte Stimme. Wie bei der chromatischen Stimmung klingen zu große Variationen zwischen den Oszillatoren einfach verstimmt oder dissonant, aber kleine Ungenauigkeiten erzeugen alle Arten von angenehmem Phasing und von organischen Bewegungen. Das ist das, woran die meisten Leute wahrscheinlich denken, wenn sie die Vorzüge der analogen Technik preisen. Dies ist ein weiteres Markenzeichen des „Oberheim-Sounds“.

Oberheim OB-X8

Schließlich gibt es noch den Jitter, ein Begriff, der aus der Digitalen Welt übernommen wurde und die Bewegung der Oszillator-Tonhöhe selbst als Mikro-Oszillationen oder Fluktuationen beschreibt. Übermäßiger Jitter (man denke an den Klang von Elektrizität) würde einfach wie ein wackelnder Oszillator klingen (also: nicht gut), aber kleine Mengen können zusammen mit den oben genannten Schwankungen innerhalb des Oszillators zu einem noch angenehmeren 3D-Phasing oder dem „Klang am Rand des Lautsprecher“-Effekts führen, von dem Analogsynthesizer-Nerds (wie ich) schwärmen.

Von den drei genannten Stimmungsparametern haben die klassischen Oberheim Synthesizer die ersten beiden. Jitter fehlt im Wesentlichen, zumindest bei den Post-SEM-Modellen. Und während die leichten Variationen in der chromatische Stimmung und in der Kalibrierung der Oszillatoren mit jedem aufeinanderfolgenden Modell besser wurden, waren sie bis zum Matrix-12 immer vorhanden.

Der „Vintage“-Regler des OB-X8 könnte nun den Eindruck erwecken, dass der verstorbene Dave Smith und sein Team in ihrem Streben nach Perfektion alles Leben in den neuen Oszillatoren neutralisiert hat (wie sie es beim OB-6 getan haben). Aber wie sich herausstellt, ist dem nicht so. Nach einer einmaligen Kalibrierung (nachdem ich das Betriebssystem aktualisiert hatte), habe ich den Autotune- oder Vintage-Regler des OB-X8 überhaupt nicht mehr angefasst. Tadaaa: Das Instrument erzeugt genau die richtige Menge an chromatischen und stimminternen Variationen, um wie eine Vintage Oberheim zu klingen. Sobald man aus einem Init-Patch (mit nur einem aktiven Oszillator) den zweiten Oszillator hinzuschaltet, ist man schon am Ziel! Keine weiteren Eingriffe zum Erreichen der Vintage Stimmung sind nötig.

Oberheim OB-X8

Natürlich kann man die Oszillatoren mit dem sehr fein justierbaren bi-polaren Detune-Regler noch weiter auseinander ziehen. Allerdings gibt es beim OB-X8 bereits so viele natürliche Variationen von Stimme zu Stimme, dass dies kaum nötig ist. Wenn man Detune dennoch betätigt, lässt sich den Klang mit nur einem Hauch an Verstimmung so weit in die Breite ziehen, dass das Instrument gerade nicht wirklich verstimmt klingt. Da alle Oszillatoren von Haus aus an leicht unterschiedlichen Positionen starten, erreicht man damit genau jenen Sound, wie wir ihn von älteren OB-Synthesizern à la OB-X/OB-Xa/OB-8 kennen. Der Versuch, dieses Ergebnis auf einem OB-6 zu erzielen, ist dagegen unmöglich, da dort die Stimmen viel genauer zusammenliegen und der bipolare Detune-Regler nicht die entsprechend hohe Auflösung hat (beim OB-6 geht man von DETUNED zu UNISONO fast in einem Schritt).

Klangfarben: Wenngleich sich beinahe jeder unter der Vintage Stimmung von Oberheim Synthesizern etwas vorstellen kann, scheint nur sehr wenigen bewusst zu sein, was die Oszillatoren tatsächlich leisten … und wie sehr sie ein großer Teil dessen sind, was wir als „Den Oberheim-Sound“ bezeichnen. Die CEM3340-Oszillatoren des OB-Xa/OB-8 klingen nicht sehr obertonlastig.

Tatsächlich sind sie geradezu dumpf, mit einem steilen Roll-Off ab etwa 10 kHz. Das hat nichts mit dem Chip selbst zu tun (der CEM3340 muss einer der obertonreichsten Oszillatoren auf dem Markt sein!). Stattdessen scheint es an einem Kondensator zwischen den Oszillatoren und dem Filter zu liegen, der als einfaches Filter fungiert, da er einen großen Teil der hohen Frequenzen absenkt, bevor sie überhaupt das Filter erreichen. Durch die Abwesenheit dieser höheren Frequenzen (auf die unsere Ohren am empfindlichsten reagieren), treten die mittleren Frequenzen stärker hervor, was zu dem blechernen Brass-Klang führt, für den die Oberheims so bekannt sind. Ich glaube nicht, dass dies von den OB-Ingenieuren absichtlich so konzipiert wurde. Es entstand eher aus dem einfachen Grund, eine Übersteuerung der Filter zu vermeiden.

Oberheim OB-X8

Wie schneidet der OB-X8 hier im Vergleich zu den klassischen OB-Synthesizern ab? Die Oszillatoren des OB-X8 sind etwas heller als die von OB-8/OB-Xa. Das könnte daran liegen, dass sie den „SEM/X“-Oszillator als Ausgangspunkt verwenden und nicht den CEM3340. Ich habe aktuell keinen originalen SEM oder OB-X zum Vergleich, aber logischerweise sind sie im Klang etwas heller als der düstere OB-Xa/OB-8. Dennoch hat der OB-X8 immer noch einen sehr steilen exponentiellen Roll-Off im Vergleich zu, sagen wir, einem Minimoog, und das macht ihn mittig fokussiert, nur ein klein bisschen weniger als bei einen OB-Xa oder OB-8.

Wenn überhaupt, dann betonen die etwas helleren Oszillatoren des OB-X8 das Phasing zwischen den Oszillatoren, weil es mehr Frequenzen gibt, die zum Einsatz kommen. Saw + Pulse auf beiden Oszillatoren mit PWM und leichter Verstimmung erzeugt einen massiven Phasing-Sound, der dem Zuhörer die Freudentränen in die Augen treibt und einen glauben lässt, hier sei ein externer Effekt eingesteckt ist … wenn man es nicht besser wüsste!

Damit ist rund um Stimmung / Phasing / Klangfarbe / Oszillatoren einiges gesagt. Weiter geht es zu den Filtern …

2) Der OB-X8 hat „alle“ Oberheim-Filter: Multimode SEM + CEM3320

Letzteres sogar in der besser implementierten Version des OB-8 CEM. Ich fand den 4-Pol beim OB-Xa immer sehr trocken/dumpf, während er mir beim OB-8 deutlich ausgewogener vorkam (… es gibt sicherlich genug subtile Design-Unterschiede, damit das so ist).  Jedenfalls klingt der weiche, zarte 4-Pol-Modus beim OB-X8 großartig. Was die 2-poligen SEM/CEM-Filter angeht, so ist der SEM natürlich der beste, ooooder? Nicht unbedingt! Die beiden sind bemerkenswert ähnlich, der einzige wirkliche Unterschied ist eine etwas schärfere Resonanzspitze beim SEM … sogar Markus Ryle hat festgestellt, wie ähnlich sie klingen. Aber es ist trotzdem schön, die Wahl zwischen SEM und CEM zu haben.

Oberheim OB-X8

Betreffend Multimode gibt es nur Einzel-Versionen von BP/HP/Notch, wohingegen der Vorgänger Xpander/Matrix-12 mit LP/HP/BP-Filtern und deren Variationen in Hülle und Fülle ausgestattet war. Aber Quantität ist nicht immer gleich Qualität, und zugegeben, die BP/HP-Varianten des Xpander/Matrix-12 haben für mich nie besonders gut geklungen. Sie waren rau und nicht sehr musikalisch. Die (singulären) OB-X8 Versionen dieser Filtermodi, die aus dem SEM/OB-X stammen, sind viel effektiver. Ich komme mit nur einer Version von jedem gut zurecht. Nach ~13 Jahren ständiger Benutzung von Xpander/Matrix-12 kann ich nicht sagen, dass ich jemals einen geeigneten musikalischen Kontext für einen 1-poligen HPF gegenüber einem 2-poligen HPF gefunden hätte. An dieser Stelle möchte ich auch ein Zugeständnis an den OB-6 machen, der ein morphbares LP>HP-Filter enthält. Das fehlt beim OB-X8 ein wenig, aber im Großen und Ganzen macht es keinen großen Unterschied in Anbetracht der enorm vielen Klangfarben, die man mit dem OB-X8 erzeugen kann.

Weiter zu Teil 2 …


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Musik: Stephane Garganigo

Oberheim OB-X8

Polyphoner Analoger Synthesizer
8 Stimmen (16 VCOs)

Preise:
(10/2023)

Oberheim OB-X8: ca. 5.279 Euro
Oberheim OB-X8 Desktop: ca. 3.898 Euro

Website Hersteller:
https://oberheim.com

Link / Vergleich:
Oberheim OB-8 Testbericht

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