Modal Electronics hat sich mit seiner 00er-Serie bereits einen hervorragenden Ruf in der Elektronik-Szene gemacht: Die 8-stimmigen Synthesizer Modal 008 / 008R bzw. Modal 002 / 002R spielen in der obersten Liga, ebenso wie der mono/duophone Synthesizer Modal 001. Da die Instrumente jedoch preislich im gehobenen Mittelfeld angesiedelt sind, ist ihre Verbreitung auch vergleichsweise gering.
Ganz anders ist die Entwicklung rund um die neue Argon8-Serie zu erwarten. Im Bereich zwischen 550 Euro (Argon8M) und 660 Euro (Argon8X) angesiedelt, dürfte sich die Synthesizer-Familie großer Popularität erfreuen.
Dabei ist der Preis natürlich nicht das einzige Argument für einen Argon8. Es ist vielmehr die schier unendliche Fülle seiner musikalisch-kreativen Möglichkeiten, die definitiv als „Sensation“ bezeichnet werden kann.
Dieser außerordentliche Umfang an Features zeigt sich im breit gefächerten Klangspektrum ebenso wie in den zuweilen etwas komplexen Schritten der Programmierung. Damit der User die Fülle an Möglichkeiten besser bewältigen kann, hat Modal Electronics jedoch diverse benutzerfreundliche Lösungen rund um den Argon8 implementiert bzw. vorgesehen – und das gleich auf mehreren Ebenen – Stichwort „Assign Modes“ oder „ModalApp“ … doch dazu später mehr.
Ein spezieller Dank an dieser Stelle an Stefan Herr, stolzer Argon8 Besitzer und darüber hinaus exzellenter Musiker. Seine Inspirationen, Ergänzungen und – sehr wichtig – Argon8 Klangbeispiele sind wesentlicher Teil dieses Testberichts geworden.
Der Einstieg benötigt etwas Geduld …
Meine ganz persönliche Geschichte rund um den Argon8 beginnt nicht ganz so euphorisch, im Gegenteil – sie beginnt mit leichter Verzweiflung. Das schöne Instrument am Tisch liegend, werden erste Handgriffe und Experimente der Klangforschung ungewöhnlich häufig mit Fehlermeldungen quittiert. „All Mod Slots Full“ gehört zu den wichtigsten, die mich beim Aufrufen und Verändern diverser Presets beinahe in den Wahnsinn treibt. Andere Meldungen kommen und gehen so schnell, dass deren Inhalt nicht sofort greifbar ist (… positive Meldungen, wie sich später heraus stellt, die als Bestätigung gedacht waren).
Ein zusätzliches Handicap: Mein mangelhaftes Kurzzeit-Gedächtnis, denn regelmäßig werden unabsichtlich falsche Parameter verändert, einfach weil SHIFT noch aktiviert ist, das Ausschalten desselbigen nicht passierte und die Bedienung somit auf der falschen Parameter-Ebene fortgesetzt wurde.
Zur Erklärung: SHIFT aktiviert eine Doppel-Belegung der Regler, die quer über den Argon8 anzutreffen ist. Der Kreis „um“ den Button macht hierbei deutlich, dass es um die Aktivierung (oder Deaktivierung) der Mehrfach-Belegung der Elemente geht. Ist SHIFT aktiviert (LED leuchtet), befindet sich der User nicht auf der obersten Ebene, sondern auf der zweiten Ebene der Regler, wobei die nun aktiven Funktionen in BLAU beschriftet sind*. Im Modulations-Slot-Bereich und Arpeggiator- / Animations- / Sequencer-Bereich kommt man durch Drücken der dort befindlichen Ring-Buttons und nebenan liegender Schalter sogar auf eine weitere, „dritte“ Ebene, diesmal mit türkiser Schriftfarbe.
[* Die Art der Doppel-Belegung / Doppel-Beschriftung am Panel erinnert – noch dazu in der blauen Schrift – sehr stark an den Oberheim OB-8 und dessen Page-2 Modus.]
… doch die Mühe lohnt sich!
Nun, falsche Bedienung, leichte Frustration (durch eigenes Verschulden!) … ob derlei Erfahrungen in einem Testbericht geschildert werden müssen? Tatsache ist: Der bloße Funktionsumfang eines Instruments lässt sich in jedem Quick-Review und – noch schneller – auf der Website des Herstellers nachlesen. Ganze Listen voller beeindruckender Daten sind da zu finden. Doch wie es sich mit dem Zugang zum Instrument verhält, das lässt sich daraus nicht ableiten.
Erst das Sammeln verschiedener Benutzer-Hinweise und Erfahrungsberichte ergibt in Summe – zusammen mit den technischen Details und musikalischen Eindrücken – ein informatives Gesamtbild zum Instrument. Und darum geht es.
Zurück zum Argon8. Nach den ungewöhnlichen Erst-Erfahrungen und einer kleinen Pause sieht die Welt viel besser aus. Ein neuerliches Herangehen an das Instrument bringt einen deutlich schnelleren Workflow mit sich – man lernt eben dazu.
Und man erkennt, dass Modal Electronics genau genommen hier einen enorm umfassenden Synthesizer mit einer doch sehr schlauen Bedienung versehen hat. Mehr noch, dass die Zugabe der (kostenlosen) externen Controller-Software ModalApp sehr nützlich ist und somit der große Argon8X – mit schön platziertem iPad rechts der Bedienelemente – mehr Sinn macht denn je. Die minimalen Mehrkosten (etwas über hundert Euro „plus“ gegenüber dem Argon8) geben dem User nicht nur eine vollwertige 5-Oktaven Tastatur, sondern auch das entsprechende Platzangebot für den zusätzlichen Software-Controller (in welcher Form auch immer).
Die Argon8-Familie
Womit wir schon mitten in der Argon8-Familie gelandet sind. Wie umfassend und exakt Modal Electronics hier Produktsegmentierung betreibt, zeigt die geschmackvolle Auswahl an Argon8-Kandidaten:
Instrument | Beschreibung | Preis (05/2020) |
Argon8M | Der kleinste Spross der Familie kommt im Desktop bzw. Rack-Format (3 HE), Rack-Ohren werden mitgeliefert | ca. 569 Euro |
Argon8 | Das „mittlere“ Instrument bietet bei schlankem Design eine pass-genaue 3-Oktaven-Tastatur | ca. 639 Euro |
Argon8X | Der größte Kandidat wurde um die zuvor erwähnte Freifläche erweitert (z.B. für einen Controller) und bietet eine 5-Oktaven Tastatur | ca. 749 Euro |
Alle Instrumente sind im Aufbau und in ihrer Synthesizer-Engine identisch. Die einzelnen Kandidaten richten sich somit – durchaus exzellent gelöst – an die jeweils unterschiedlichen Bedürfnisse und das jeweilige Platzangebot seitens der Musiker.
Hardware
In diesem Punkt kommen wir schon mal zu Sache. Betreffend Qualität der Hardware hat die Argon8-Familie gegenüber der Modal 001/002/008-Serie etwas an Federn lassen müssen. In Anbetracht des neuen Preissegmentes ist dies klar und auch in Ordnung.
Ganz konkret? Die Potis liegen keineswegs „fest“ in der Hand, sondern sind leicht wackelig. Zudem gibt es nun ein externes Netzteil (was dem Standard in dieser Preiskategorie völlig entspricht, alles „ok“) und auch die MIDI Thru Buchse ist dem Rotstift zum Opfer gefallen.
Dem gegenüber sind das Chassis (robustes Stahl- und Aluminiumgehäuse!), das Keyboard, der Joystick und alle Taster aber von sehr guter Qualität. Und auch die Anschlüsse sind ausreichend vorhanden – allem voran wäre die (analoge) Sync-In / Sync-Out Schnittstelle im Korg/Teenage Engineering Format als besondere Besonderheit zu erwähnen.
Schließlich aber: Der Argon8 hat optisch viel Charme. Das abgerundete Chassis, die noble Farbe, das elegante grafikfähige Display – alles am Argon8 erscheint ausgewogen und stimmig. Womit gesagt sei, dass das Preis / Leistungsverhältnis der Argon8-Serie – trotz minimaler Kritikpunkt – exzellent ist und im Spitzenbereich verbleibt.
Features
Die wichtigsten Features im Überblick:
- 8-stimmige Polyphonie
- 4 Oszillatoren pro Stimme
gesamt 32 Wavetable Oszillatoren - 120 Wavetables
24 Bänke mit je 5 überblendbaren Wellenformsätzen - 28 statische Wavetable-Prozessoren
z.B. De-Rez, Wave-Folder, Wave-Shaper, Phase-Shaper und Rectify - 8 Oszillator-Modifiers
z.b: Phase Mod (FM), Ring Mod, Amp Mod, Hard Syn, Windowed Sync
x - Resonanz-Filter
zweipolig, LowPass – BandPass – HighPass überblendbar - 3 Hüllkurvengeneratoren
für AMP, MOD und FILTER (1 Set an Reglern – umschaltbar)
- 2 Audio-Rate LFOs
einer „Poly“, einer „Global“, mit Tempo-Synchronisation
- Mod-Matrix mit 8 zuweisbaren Slots
und 4 festen Verknüpfungen, 11 Quellen / 52 Zielen - 3 unabhängige Stereo-FX-Engines
u.a. mit: Delay, Reverb, Flanging, Phasing und Chorus - Waveshaping Distortion
x - Arpeggiator
mit 32 Steps - Echtzeit-Sequenzer
mit 512 Steps und Quantisierung,
100 Sequencer-Speicherplätze - Animationen
aufzeichenbar / editierbarx - Alle zeitbasierten Parameter synchronisierbar
FX, LFOs, Sequenzen/Arpeggios Int / Ext Sync
x
- Diverse Keyboard-Modi
Mono, Poly, Unison 2, Unison 4, Unison 8, Stack 2 und Stack 4
- Glide/Portamento
mit Legato- und Staccato-Modus - 4-Achsen-Joystick
X +/- und Y +/- völlig frei programmierbar - FATAR TP9/S Keyboard (bei Argon8 / Argon8X)
mit Velocity /Aftertouch - 500 editierbare Patches
300 Factory Presets und 200 unbelegte User-Patches
x - Audio-Out (Stereo)
- Audio-In
mit der Möglichkeit, Audio über die internen Effekte zu leiten - Sustain- und Expression-Pedal
- Analoges Sync In/Out
(Korg / Teenage Engineering Spezifikation) - MIDI / USB
x - ModalApp für Mac, PC, iOS, Android, VST3 und AU (kostenlos)
Bedienung in der Praxis – Assign Modes und ModalApp
Die Feature-Liste macht es deutlich: Der Argon8 ist mächtig, mächtig, mächtig! Zur Bewältigung des Instruments bedarf es – wie schon in der Einleitung angedeutet – möglicherweise zunächst ein wenig Geduld.
So lange eben, bis man den Umgang mit Doppelbelegungen und Doppel-/Dreifach-Funktionen verinnerlicht hat. So lange, bis man das Handling der beiden Regler (Page/Param und Preset/Edit/Bank) links und rechts des Displays optimiert hat. Zur Klärung: Betätigt man mit der rechten Hand den linken Regler (Page/Param), ist die Position der Hand derart, dass das Display verdeckt wird. Umgekehrt verhält es sich mit dem rechten Regler (Preset/Edit/Banks), der im Idealfall nicht mit der linken Hand bedient werden sollte.
Zudem sollte man nie das „Bestätigen“ vergessen – eine ModSource zu suchen / anzuwählen genügt nicht, man muss den Button auch drücken, um sie tatsächlich auszuwählen (nur als Beispiel) – das Drücken immer als letzter Arbeitsschritt. Alles kein Problem, doch man muss es wissen und ist gezwungen, sehr sorgfältig vorgehen.
Hat man die Herangehensweise und Bedien-Situation am Argon8 verinnerlicht, eröffnen sich jedoch zunehmend benutzerfreundliche Aspekte, die eine Programmierung beschleunigen, ja – durchaus intuitiv werden lassen.
Allem voran die geniale Idee der rasanten Assign Modes. Beispiel: Drückt man LFO 1, blickt die zugehörige LED, der Assign Mode ist gestartet und durch Drehen eines beliebigen Reglers – nehmen wir nun einfach mal die Filter-Frequenz – ist dieser Parameter automatisch LFO 1 zugeordnet. Mehr noch, ein entsprechender Modulation Slot wird sofort belegt – alles passiert ohne weiteres Zutun, sprich: automatisch. Gleiches gilt für LFO 2, für VELocity, AFTertouch und viele Funktionen mehr.
Die grundsätzliche Zuordnung von Modulationsquellen und -zielen kann also in Sekundenschnelle erfolgen. Will man nun Feinheiten der Modulationen anpassen, geht man in den betreffenden Modulation-Slot und findet dort alle wünschenswerten Details vor (deren Programmierung über das Display erfolgt, oder aber über die ModalApp).
Stichwort Display: Die grafische Darstellung von Wellenformen und Hüllkurven-Verläufen sei als besonders willkommene Hilfe im Workflow genannt. Beispiel: Da man nur „ein“ Set an Attack / Decay / Sustain / Release Reglern am Panel vorfindet und doch regelmäßig zwischen den drei Hüllkurven AMP, FILTER und MOD wechseln muss, zeigt das Display beim Drücken der Hüllkurven-Taster sofort, welche Gestalt die jeweilige ADSR Kurve hat. Das beschleunigt den Workflow und verhindert allfällige Werte-Einstellungen „im Blindflug“.
Neben den Assign-Modes und dem grafischen Display bietet auch die kostenlose ModalApp Software Hilfe beim Programmieren. Sie liefert nicht nur eine verfeinerte Darstellung der einzelnen Werte, sondern ermöglicht auch direkten Zugang zu Parametern, die an Oberfläche des Argon8 erst über ein paar Umwege zu finden wären.
Auf oder neben dem Instrument positioniert, scheint ein iPad (oder Ähnliches) mit ModalApp folglich der ideale Begleiter für den Argon8 / Argon8M / Argon8X zu sein.
Was ModalApp kann:
- Alle Parameter zugänglich über ein einziges Interface
- Preset Manager zum Verwalten der Sounds
- „Modulation“ Page zum schnellen Einblick ins Modulationsgeschehen
- „FX“ Page zur Auswahl und Editierung der 3 Effektblöcke
- „Sequencer“ Page für Live-Sequencer-Kontrolle und Editierung der 4 Parameter-Animations-Reihen
- „Keyboard“ Page zum Anspielen des Argon8 direkt vom Controller aus
- „Setting“ Page zur MIDI Konfiguration und für Firmware-Updates
Quelle: www.modalelectronics.com/modalapp
Übrigens: ModalApp ist der Software Editor für verschiedene Modal Electronics Synthesizer, wie z.B. SCULPT, CRAFT oder – Bingo! – Argon8.
Klangpotenzial
Wie nicht anders zu erwarten, ist das klangliche Aufgebot des Argon8 sehr beachtlich. Das klangliche Aufgebot dieses WAVETABLE Synthesizers, um es nochmals zu präzisieren. Die Stärken des Instruments liegen unserer Einschätzung nach im Bereich Leadsounds / Klangteppiche / Effektsounds und Sequencer-Animationen.
Als Bass- / Electro- / Techno-Synthesizer dürfte das Instrument hingegen eher selten in die engere Wahl kommen. Das wäre in Anbetracht der Konzeption des Argon8 auch durchaus nachvollziehbar. Und möglicherweise mangelt es dem Filter zudem etwas an der hierfür notwendigen „Brutalo“ Dynamik.
Spezielle Leckerbissen des Argon8 eröffnen sich rund um die – bisher nur am Rande erwähnten – Keyboard Modi. Ob nun MONO, POLY oder UNISONO (in verschiedenen „Dimensionen“): Die klanglichen Ergebnisse sind radikal verschieden und – jeder Modus auf seine Art und Weise – ausdrucksstark.
Besonders schön ist der POLY Modus, in dem die Klänge abwechselnd am rechten und linken Kanal ausgegeben werden – eine Reminiszenz an den glorreichen PPG Wave 2.2 / 2.3 Synthesizer von Wolfgang Palm.
Das Filter entstammt den Vorgängern SKULPTsynth und CRAFTsynth2.0. Es ist ein LowPass Filter mit einem Frequenzgang von 0 Hz bis 22 kHz und der Fähigkeit des MORPHens. Konkret wird hierbei von LowPass zu LowShelve zu BandPass/Notch zu HighPass stufenlos gewechselt.
Klanglich noch deutlich ergiebiger als diese Funktion ist jedoch das sehr markante Resonanz-Verhalten des Filters. Gut möglich, dass es nicht jedermanns Sache ist, da bei hohen (Resonanz)-Werten Rückkoppelungseffekte auftreten, die das Filter teils schwer kontrollierbar machen.
Doch genau darin liegt auch eine wertvolle musikalische Chance, wenn es „Momente der Überraschung“ im klanglichen Geschehen gibt. (Was bei so manchen Synthesizern – Hand aufs Herz – nicht unbedingt der Fall ist.) Wenn der User also gefordert ist, sofort zu reagieren (oder bei Wohlgefallen auch nicht), um die außer Rand und Band geratene Resonanz wieder ins Gehege zu treiben.
Die Oscillator Modifiers und Wavetable Modifiers – zu Dutzenden verfügbar – eröffnen das weite Feld an Klangteppich-Sounds und Effekt-Klängen. Phase Mod (FM), Ring Mod, Amp Mod, Hard Sync auf der einen Seite, Derez, Crush, Resample und vieles mehr auf der anderen Seite. Umfangreichste Möglichkeiten, die eine enorme Bandbreite an musikalischem Output bieten – entsprechende Zeit zur Programmierung vorausgesetzt.
Zwei minimaler Kritikpunkte bzw. Anmerkungen rund um das Sound-Design des Argon8 möchten wir uns nicht verschließen. Erstens: Die Hüllkurven-Zeiten sind relativ knapp bemessen. Ausgesprochen lange Attack- und Release-Zeiten finden sich „nicht“ im Portfolio des Instruments. Effektiv betragen sie einige Sekunden, mehr nicht.
Der zweite Hinweis gilt der Lautstärke. Der Grundpegel des Argon8 ist – trotz maximal justiertem Volume-Regler – zuweilen sehr zahm. Hier gibt es nun mehrere Möglichkeiten, die Grundlautstärke anzuheben, wie z.B.:
- Durch Aufdrehen des Distortion Reglers nimmt die Lautstärke – allerdings natürlich auch die Verzerrung – zu
- Durch Ändern des Keyboard-Modus, z.B. auf UNISONO
- Durch Drücken von PAGE + Drehen des Volume Reglers wird der PATCH GAIN auf bis zu 95 (dB) angehoben
- Durch Ausschalten der FX-Abteilung -> FX Level „0“
Speziell das Deaktivieren der Effekte bringt einen enormen Headroom. „Volume“ kann nun in der Regel zurückgedreht werden und man hat wieder Spielraum, um bestimmten Klängen die passende Lautstärke und vor allem die nötige Präsenz zu verleihen. (Danke an Stefan Herr für diese Informationen!)
Andererseits sind die 3 FX-Sektionen des Argon8 klanglich äußerst ergiebig und tragen in vielen Fällen zum starken Charakter der Klänge bei. Es gilt also von Patch zu Patch abzuwägen, ob das Quasi-Deaktivieren der Effekt-Sektion (zur Erhöhung der Lautstärke) dafür steht oder nicht.
Fazit
Das Gesamtkonzept rund um den Argon8 ist absolut bemerkenswert. Hut ab vor dem Entwicklerteam, das keine Mühen gescheut hat, dem Klangtüftler und Synthesizer-Enthusiasten bestmöglichen Zugriff auf alle Details der so umfangreichen Klangarchitektur zu geben. Umso bemerkenswerter, als das Preis/Leistungsverhältnis nicht einfach nur „gut“, sondern definitiv sensationell ist. Einen 8-stimmigen Wavetable-Synthesizer mit allen Raffinessen der Klangmanipulation, der Bedienung und der Performance – das alles für ein paar hundert Euro … es klingt wie ein Aprilscherz. Ist es aber nicht.
Vor Erwerb eines Argon8 sei dennoch jedem Interessenten geraten, die Benutzerführung eingehend zu überprüfen um festzustellen, ob die ganz persönliche Herangehensweise / Programmierweise mit dem vorgegebenen Workflow am Instrument zusammenpasst.
Wer sich diesbezüglich „grünes Licht“ gibt und – im Idealfall – betreffend Wavetable-Synthese zudem noch eine soundtechnische Lücke im Studio hat, dem sei zum Argon8 Synthesizer dringend geraten.
So streuen wir dem Argon8 abschließend noch ein paar Rosen:
„Die neue Sound-Engine des Argon8 ermöglicht eine äußerst komplexe Synthese, die in dieser Preisklasse (und auch darüber) bisher nicht zu finden war. Die Entwicklung von Argon8 ist ein Beweis für das Engagement und der Höhepunkt der fast sechsjährigen harten Arbeit des jungen Entwicklungsteams aus Bristol – England.“
x
Vielen Dank an das Musikhaus Hieber Lindberg, das uns den Argon8 zur Verfügung gestellt hat.
x
35 Minuten Audio-Material sind angefügt. Zu hören ist ausschließlich der Modal Argon8 Synthesizer. Mit (*) versehene Soundfiles sind (c) von Stefan Herr.
Argon8M / Argon8 / Argon8X
Wavetable-Synthesizer mit 8 Stimmen,
Arpeggiator und Sequencer
Preise:
(09/2023)
Argon8M (Desktop / 3 HE Rackversion)
Maße: 38,4 x 12,7 x 8 cm (L/B/H)
Preis: ca. 544 Euro
Argon8 (3-Oktaven Keyboard)
Maße: 55,5 x 30 x 10 cm (L/B/H)
Preis: ca. 599 Euro
Argon8X (5-Oktaven Keyboard)
Maße: 88,5 x 30 x 10 cm (L/B/H)
Preis: ca. 649 Euro
Links:
Modal Electronics Website
Tomeso (deutscher Vertrieb)
Open / Download:
Modal Electronics Argon8 (3800 x 2600 px)
Weitere Wavetable-Synthesizer / Vergleich:
Waldorf QUANTUM – hybrid in die Zukunft (Testbericht)
PPG Wave 2.2 / Wave 2.3 – Original bleibt Original (Testbericht)
Novation Summit – ein 16-stimmiger OSCar Synthesizer? (Testbericht)
Studiologic Sledge 2.0 / BLACK – ein Panther zum Verwöhnen (Testbericht)
Youtube:
Kommentare / Ergänzungen von Stefan Herr:
Der Argon8 ist mein erster „Hardware“-Wavetable Synthesizer (wobei ein digitaler Synthesizer heutzutage ja eigentlich immer in Software realisiert wird – ob auf der CPU einer DAW oder einem DSP in einem „Hardware-Synth“ – aber die Haptik macht eben den Unterschied!). Die PPGs habe ich in den 80ern verpasst (zu jung und daher kein Geld) und mit den Waldorf Microwaves bin ich in den 90ern und 2000ern irgendwie nicht warm geworden. Dennoch ist mir der Wavetable-Sound aus vielen Musikproduktionen (z.B. Saga oder Trevor Horn) immer im Ohr hängen geblieben und deshalb habe ich stets zu mir gesagt: „Irgendwann bringe ich diesen Sound auch für mich zum Einsatz“.
Als ich dann die ersten Demovideos zum Argon 8 auf Youtube gesehen und mir anschließend die äußerst umfangreichen Features auf dem Papier zu Gemüte geführt hatte, kam es spontan zum Click auf den „Jetzt Kaufen“ Button.
Meine Erwartung war, dank umfangreicher Spielhilfen (dynamische Fatar-Tastatur mit Aftertouch, Joystick, modulierbare Effektsektion, Sequenzer, Arpeggiator, Veränderung von Parametern am Gerät in Echtzeit), einen ausdrucksstarken, prägnanten Sound erzeugen zu können. Diese Erwartung hat der Argon8 mehr als übertroffen.
Als ich die Klangbeispiele für den Argon8-Bericht aufgenommen habe, ist es mir ständig passiert, dass ich mich in einem Klang „verloren“ und ausgehend von einem der Presets ausgelotet habe, wie weit die Reise bezüglich der Klangveränderung gehen kann. Von Nuancen (leichte Veränderung der Waves per Wave 1 / 2 Regler, zarte Filtersweeps per Joystick oder Aftertouch) über dramatisch modulierte Obertonspektren bis hin zu chaotischer Verzerrung – alles ist möglich!
Zu dieser Mischung kommt eine absolut taugliche Effektsektion, die in das dynamische Spiel interaktiv mit einbezogen werden kann. Mit wie viel Leidenschaft die Entwickler von Modal Electronics bei der Sache waren, zeigt sich allein schon durch zwei „Features für Kenner“ beim Delay (mein persönlicher Lieblingseffekt): „Dotted 8“ Delay und regelbare Modulationstiefe beim Ping-Pong Delay. Für fast alle Effekte sind 6 Parameter veränder- und modulierbar.
Hätte ich vorher gewusst, wie gut die Fatar-Tastatur ist, hätte ich mir vielleicht den Argon8X gekauft. Andererseits passt der „kleine“ Argon8 super auf den Schreibtisch für spontane Sessions mit anderen „kleinen“ Klangerzeugern wie z.B. dem Korg minilogue XD oder dem Moog Sirin. Auch sonst stimmt die Haptik – der Argon8 fühlt sich unter den Händen wertig und angenehm an. Dazu tragen auch kleine Details wie der Joystick-Knopf aus Aluminium bei.
Wie im Bericht zu lesen – aufgrund der Komplexität des Argon8 benötigt es seine Zeit, bis man sich auf die Bedienung „eingeschossen“ hat. Danach aber macht das Allermeiste Sinn und es stellt sich eine gute Beherrschung des Instruments ein (Yin und Yang: komplexer Klang als Vorteil, längere Einarbeitungszeit als Preis dafür…). Mir hilft es aber sehr, wenn ich zeitgleich zur Bedienung am Gerät auch die ModalApp auf dem Notebook laufen lasse: Programme lassen sich dann blitzschnell auswählen und man hat eine „Gesamtübersicht“ über die Parameter eines Klangs. Der Sequenzer lässt sich meiner Meinung nach sowieso erst mit der App vernünftig verwenden.
Womit ich anfangs stark zu kämpfen hatte, waren die im Bericht beschriebenen „Pegelherausforderungen“. Es ist nachvollziehbar, dass das vernünftige Ausregeln des Pegels bei einem komplexen Signalpfad wie im Argon8 seine Tücken hat, insbesondere, wenn die interne Effektsektion im Spiel ist. Deshalb verstehe ich es nicht, warum es für den „Patch Gain“ keinen Aufdruck auf dem Bedienpanel gibt und man die dazu benötigte Tastenkombination erst mal nur findet, wenn man die Bedienungsanleitung GENAU studiert. Aber das ist Jammern auf höchstem Niveau! Wenn man den Bogen erst mal raus hat, wird man mit ausreichendem Druck im Klang belohnt. Wer schöne externe Effekte sein Eigen nennt (z.B. Strymon Big Sky oder GFI Specular Tempus), schaltet einfach die interne Effektsektion ab und dann kommt auch „ausreichend Dampf“ beim Argon8 raus. Bei geschickter Einstellung zudem der Bass besser zu Geltung – auch wenn der generelle „Arbeitsbereich“ des Argon8 sicherlich eher im Bereich „dynamische Flächen“ und „prägnante Leads“ liegt.
Alles in allem bleibt mir als Fazit zum Argon8: „Großes Kino beim Ausdruck zum absolut fairen Preis“. Was will ich als Musiker mehr?
Hallo,
sehr guter Testbericht … Danke dafür.
Habe die 19″ Version seit einiger Zeit. Einige der Minuspunkte, wie Hüllkurvenzeiten, Effektelevel … etc. wurden mit der Vers 2.0 behoben.
Am Anfang tut man sich mit dem Handling schon schwer, aber nach kurzer Eingewöhnung, auch Dank einiger Tipps hier – lief es dann doch recht zackig.
Mittlerweile editiere ich nur noch am Gerät. Die Software ruht in Frieden. Anstelle Big Sky, GFI sind hier ein Neunaber Immerse, Boss DC-2w am Werk. Wenns dann immer noch net reicht hau ich noch’n Lexicon obendrauf.. ;-))
Einiges aus dem Kommentarbereich von Stefan Herr trifft auch hier zu.
Mit den Wavetable-Waldorfs, bis auf den MW1, bin ich nie richtig warm geworden. Als er dann noch MicrologueXD und Sirin erwähnt hat konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die stehen hier auch…