Sie zählen zu den Poly-Analog-Synthesizern, die keinen festen Platz in der Walhalla der Vintage-Instrumente erhalten haben (und wohl auch nicht erhalten werden). Sie sehen unspektakulär aus, ihr akustischer Stempel ist in den Charts selten zu hören, ihr künstlerisches Erbe sehr dünn gesät. Und dennoch haben sie musikalische Klasse, denn sie liefern expressive Klangeindrücke, von denen selbst berühmte Zeitgenossen – Legenden im Stile eines Roland Jupiter-8 oder Sequential Prophet-5 – nicht einmal zu träumen wagen.
Die Rede ist von Crumar BIT ONE, BIT 99 und BIT 01, die zwischen 1984 und 1988 den Low-Budget Keyboard-Markt belebten. Und um es gleich klarzustellen: Natürlich ist ein BIT-Synthesizer kein Jupiter-8 … und kein Prophet-5. Das ist auch gar nicht die Aussage. Doch fest steht, dass BIT ONE / BIT 99 / BIT 01 eine Dynamik, Expressivität und spezielle Klangcharakteristik vorweisen können, die man – genau genommen – bei keinem der großen, klassischen Synthesizer findet.
Durch die völlig andersartige Ausstattung der BIT-Instrumente (DCOs, Anschlagdynamik und MIDI) hinkt der Vergleich zu den genannten Klassikern zwar gewaltig, doch es erstaunt sehr, dass die Synthesizer auf der einen Seite als Legenden, die Synthesizer auf der anderen Seite höchstens als Randnotiz in die Musikgeschichte eingegangen sind. Hört man heute Bass-Sequenzen oder Lead-Lines eines BIT ONE / BIT 99 / BIT 01, so stellt sich die Frage: „Wie kann das sein?“
Kurze Geschichte der BIT-Familie
Gegen Mitte der 80er-Jahre brachte Crumar eine ganze Reihe an semi-professionellen MIDI-Instrumenten auf den Markt. Der 1984 vorgestellte BIT ONE war die Ur-Version der neuen Klangerzeuger-Generation: 6 analoge Stimmen (12 DCOs), anschlagdynamisches Keyboard mit 61 Tasten, SPLIT- / DOUBLE-Modus, Programmspeicher und simples MIDI … wobei das Instrument ausschließlich in der Farbe Schwarz angeboten wurde.
In der Literatur wird Luciano Jura als Chef-Designer des BIT ONEgenannt. Und angeblich hatte auch Mario Maggi seine Hände im Spiel, was in Anbetracht von einigen technischen Parallelen zum Elka Synthex nicht weiter überraschen würde. In zwei Filter-Revisionen – SSM 2044 bzw. CEM 3328 – erschienen, war der BIT ONE nur ein Jahr in Produktion. Er verkaufte sich jedoch gut und hatte gegenüber seinen Nachfolgern sogar einige Besonderheiten aufzuweisen (Unisono-Modus, Detune-Regler, Noise-Regler, Trigger-Out, Metall-Seitenteile).
Dennoch, obwohl der BIT ONE klanglich noch ergiebiger war als BIT 99 / BIT 01 (speziell durch UNISON sowie den „direkten“ DETUNE Fader), hatte er im Studio einige Nachteile. DETUNE und NOISE waren nicht speicherbar und die MIDI Funktionen des Instruments waren äußerst dürftig. Allem voran sei auch die Tatsache genannt, dass das Keyboard sofort entkoppelt wurde, sobald man ein Kabel in die MIDI IN Buchse steckte. Entweder man spielte am BIT ONE oder man steuerte ihn über MIDI an. Beides ging nicht!
Allerdings gibt es inzwischen ein entsprechendes Upgrade von HKA Design, das die besagten MIDI-Unzulänglichkeiten des BIT ONE behebt und sogar – man staune – einen Arpeggiator als „Extra“ inkludiert! Dessen ungeachtet lassen wir den BIT ONE nun außen vor und beschränken uns in diesem Testbericht vor allem auf die Nachfolgemodelle, die – von Fabrik aus – dem Workflow in einem modernen MIDI Studio gerechter werden. Und damit zurück zur Geschichte der BIT-Instrumente …
1985 erfolgte die Ablösung des BIT ONE durch den BIT 99. Dieser war dem Vorgänger nicht nur optisch, technisch und klanglich sehr ähnlich, er wurde überraschenderweise auch um ein Stück günstiger angeboten. Dabei konnte der BIT 99 mit verbessertem MIDI, erweiterten Layer / Split / Dual-Funktionen, einem verfeinerten STEREO-Modus (bzw. auf Wunsch eben MONO-Modus), PRG CHAIN (3 Programm-Ketten à 33 Klängen) und speicherbarem DETUNE / NOISE aufwarten. Das Instrument setzte die CEM 3328 Filter-Tradition fort, hatte gerippte Plastik-Seitenteile und war in den Farben Schwarz und Weiß erhältlich.
Zudem gab es die Rack-Version BIT 01 (ebenso in Schwarz und Weiß verfügbar), jedoch ohne PRG CHAIN. Interessant, dass der Entwurf des BIT 01 bereits 1984 angekündigt wurde, wobei das Instrument tatsächlich als Rack-Expander des BIT ONE gedacht war – inklusive der zusätzlichen Fader am Panel. In der Realität wurde daraus der Expander des BIT 99 und damit eben jener BIT 01, wie wir ihn heute kennen. Genau genommen ist dies aber nicht korrekt, denn der BIT 01 dürfte vor dem BIT 99 entwickelt worden sein, wobei letzterer – bei strenger Betrachtung – die Keyboard-Variante des Expanders ist.
Doch die exakte Reihenfolge im Familien-Clan spielt aus heutiger Sicht keine so entscheidende Rolle. 1985 kam mit dem BIT MMK schließlich noch das zugehörige MIDI Master Keyboard auf den Markt. Es verfügte über 6 Oktaven, Velocity und Aftertouch sowie einen eingebauten Sequenzer und zwei MIDI OUTs. Das Control Center Of Your Entire MIDI Universe (!) ward geboren (man höre und staune).
Damit war die Instrumenten-Familie rund um BIT ONE, BIT 99, BIT 01 sowie BIT MMK komplett.
Nachdem Crumar ein beachtliches Vertriebsnetz in Europa sowie in den USA hatte, gab es die BIT-Instrumente außerdem noch in mehreren (angepassten) Erscheinungsformen. So brachte UNIQUE – unseres Wissens nach einer der Crumar-Vertriebspartner für Nordamerika – den BIT 99 als UNIQUE DBK (Keyboard), den BIT 01 als UNIQUE DBE (Expander) sowie das BIT MMK als UNIQUE DBM (Masterkeyboard) auf den Markt.
Ein weiterer großer Crumar-Vertriebspartner war CHASE in Großbritannien:
„The largest UK synthesizer importer and distributor (aka The London Synthesizer Centre) in the late seventies and early to mid eighties, Chase re-badged Crumar, Jen and BIT products […].“
(Peter Forrest, A-Z Of Analogue Synthesisers, Part One A-M, Seite 60)
Dass CHASE durch seine aggressive Werbeaktivitäten und seine marktschreierischen Inserate sehr zum Ansehen der BIT-Instrumente beigetragen hat, ist jedenfalls zu bezweifeln:
„In Britain, the instruments were distributed by a flash-in-the-pan outfit called Chase Musicians, who delighted in preposterously hyped marketing and absurd price slashes („Originally $3 million, now only 50 bucks!“ – that type of thing).“
(Julian Colbeck, Keyfax Omnibus Edition, Seite 12)
Als ob die Namensvielfalt rund um Crumar, BIT, UNIQUE und CHASE nicht schon verwirrend genug wäre, kommt in Italien noch ein weiteres Unternehmen ins Spiel: LEM. Da Crumar im Jahre 1987 von LEM übernommen wurde und man vorerst die Produktion von BIT-Instrumenten bis 1988 weiterführte, gab es auch noch LEM BIT 99, LEM BIT 01 sowie LEM BIT MMK bzw. – nun als eigene Entwicklung von LEM selbst – das Masterkeyboard in der seltenen „gewichteten“ Version aka LEM MMK weighted (siehe Reverb-Auktion vom Juli 2023). *
Die Modelle BIT 99 und BIT 01 von UNIQUE und LEM waren übrigens nur in der Farbe Schwarz erhältlich. Sie überzeugen äußerlich allerdings durch zwei Aspekte. Erstens die geschmackvollere Farbgebung (einheitliches Blau am Paneel, statt Blau und Grün). Zweitens die tabellarische und damit übersichtlichere Liste der Funktionen – was ein Vorteil beim Programmieren der Sounds ist.
[ * Ob LEM schon vor der Übernahme für Crumar produzierte, ist nicht ganz klar. Unsere beiden LEM BIT 99 haben ein reines Crumar Typenschild und das genannte LEM MMK weigthed wurde bereits ab 1986 produziert. Die Kooperation dürfte also schon vor 1987 in vollem Gange gewesen sein. ]
Man beachte jedenfalls den Zeitpunkt der Crumar-Übernahme (1987). Während in diesem und im nächsten Jahr in Südeuropa noch BIT-Synthesizer mit DCOs und veralteter Technologie gebaut wurden, erschien im selben Jahr 1987 auf der anderen Seite des Globus der digitale Bestseller Roland D-50 Linear Arithmetic Synthesizer und 1988 der/die nochmals um ein Stück erfolgreichere Korg M1 AI-Synthesizer/Workstation. Jener oft zitierte Spruch „Da treffen Welten aufeinander“ klingt in diesem Zusammenhang nach einer massiven Untertreibung: Viel größer können die globalen Unterschiede im technologischen Fortschritt kaum gewesen sein.
Dessen ungeachtet – und damit kommt die kurze BIT-Geschichte zu einem Abschluss – waren Crumar BIT ONE, BIT 99 und BIT 01 in ihren Erscheinungsjahren respektable Synthesizer, von denen in Summe mehrere tausend Exemplare produziert wurden. Sie sind – aus dem Jahr 1984 kommend – für einen Analog-Synthesizer modern aufgebaut und solide verarbeitet und konnten bis heute dem Zahn der Zeit widerstehen (zu einem großen Teil). Sie machen daher auch im Jahr 2023 als „Vintage-Analog-Synthesizer mit MIDI“ eine exzellente Figur … vielleicht heute sogar mehr denn je, in Anbetracht ihres guten Preis/Leistungsverhältnisses.
BIT 99 / BIT 01 – Äußeres und Aufbau
Seltsam, dass ausgerechnet ein italienisches Unternehmen – beheimatet in DER Weltklasse-Nation rund um Industrie- und Modedesign – Synthesizer entwarf, die eindeutig eher an Funktionsgeräte in Großküchen oder medizinischen Labors denn an Musikinstrumente erinnern.
Crumar dürfte jedenfalls keinen Design-Preis für seine BIT-Instrumente erhalten haben. Ganz besonders beim BIT 99 wird das ästhetische Auge auf eine sehr harte Probe gestellt. Neben dem gnadenlos flachen Paneel, der seltsamen Anordnung der Wheels, den optisch gleichermaßen öden wie technisch etwas ungenauen Tipptastern, der farblos-langweiligen und im Laufe der Jahre oft unsauber erscheinenden Oberfläche („speckig“ beim BIT 99 in Schwarz, „vergilbt“ beim BIT 99 in Weiß), trägt auch die leicht wirre Grafik des Signalweges mit abgedruckter Liste aller Funktionen samt Nummerierungen wenig zum Lustgewinn bei.
[ Kleine Augen-Übung für Fortgeschrittene: Man erfasse am Paneel von Crumar BIT 99 / BIT 01 die blauen Zahlen von 1 bis 73 in chronologischer Reihenfolge … gutes Gelingen! ]
Andererseits dürfte gerade die pseudo-technische und durch Grafiken übertrieben-aufgemotzte Erscheinung der BIT-Instrumente den Verehrern der 80er-Jahre wahre Freudentränen in die Augen treiben. Welch gelungener schlechter Stil, welch betörendes Cheesy-Italo-Design, welch grandiose Meisterleistung (!) …
Wendet man sich nun – fasziniert und angewidert zugleich – vom BIT 99 ab und dem BIT 01 zu, so ist man beinahe enttäuscht, dass die Expander-Version um ein Stück ausgewogener und deutlich ästhetischer erscheint. Die kleineren und exakt reagierenden Tipptaster sind dann im Studioalltag ohne Zweifel ein echter Segen – man nimmt die Veränderung dankend und gerne zur Kenntnis.
Die technischen Merkmale von BIT 99 / BIT 01:
- 6 Stimmen
- 2 DCOs pro Stimme (Dreieck, Sägezahn und Pulswelle, die Wellenformen sind beliebig mischbar, Noise ist auch verfügbar)
- 1 VCF pro Stimme (CEM 3328 Filter-Chip)
- ADSR Hüllkurve für das VCF
- ADSR Hüllkurve für den VCA (bzw. „die“ VCAs, nachdem das Klangbild Stereo sein kann)
- 2 globale VC LFOs (Dreieck, Sägezahn und Rechteck), Frequenz: 0,5 Hz – 250 Hz (!)
- 99 Programmspeicher (75 Einzelklänge und 24 Split/Double-Kombinationen)
- Kassetten-Interface, MIDI und Anschlagdynamik
Per Anschlagdynamik / MIDI modulierbar sind:
- Pulsweite beider Oszillatoren
- VCF (Wirkungsgrad der ADSR)
- VCA (Wirkungsgrad der Lautstärke)
- ATTACK-ZEIT beider Hüllkurven
- LFO-RATE beider LFOs
Expressivität als Alleinstellungsmerkmal
Man muss es wohl noch weiter konkretisieren: „Expressivität in Kombination mit der BIT-typischen Klangerzeugung“ als Alleinstellungsmerkmal – das könnte hinkommen. Der via Anschlagdynamik / MIDI modulierbare BIT-Sound erlaubt Synthesizer-Soli, die BIT 99 / BIT 01 tatsächlich eine unerwartete Einzigartigkeit verleihen. Vorausgesetzt, man nimmt sich ein paar Stunden Zeit und adaptiert die bereits guten (aber keineswegs spektakulären) Presets auf die eigene Spielweise. Was in der Realität etwas mühsam ist, denn Benutzerfreundlichkeit betreffend Programmierung ist des Instruments große Schwachstelle.
Allerdings lohnen sich die paar Stunden (oder Wochenenden) an Programmiertätigkeit mit Sicherheit. Man kann Schwebungen und diverse Modulationen einfügen (2x LFO!), mit den Hüllkurven experimentieren, die Änderungen der Pulsweite, der LFO-Geschwindigkeit oder der Attack-Zeit über Velocity nuanciert einstellen, die Filterresonanz erhöhen (und so dem Klang einen möglicherweise leicht metallischen Beigeschmack geben), was auch immer.
Einmal perfektioniert, sind die Klänge jedenfalls für Jahre / Jahrzehnte verfügbar. Und man wird sie mit Freude verwenden, denn auf ihre eigene BIT-Art-und-Weise sind es zeitlose (!) Analogsounds, die in zahlreichen musikalischen Kontexten ihre Berechtigung haben.
SOUND
In Studiokreisen werden BIT 99 / BIT 01 vor allem für ihre Bassklänge und Electronic Sequences (mit VCF Modulationen) geschätzt. Darüber hinaus kann man den Instrumenten überzeugende Analog-Pads (mit Filtersweeps) und überraschend brillante Strings (mit erstaunlich langen Attack-Zeiten) entlocken. Auch einfache Effektklänge im Sinne von Electronic Toms, quirliger Dual-LFO-Modulationen bis hin zu FM-Sounds (LFOs bis 250 Hz) gehören zum Repertoire von BIT 99 / BIT 01. Und dann wären da noch jene Funky Sounds im Stile von Clavinet, perkussivem E-Piano, schneidigen Bläsern, die in den Presets zahlreich vorhanden sind. Es ist alles da!
Was uns jedoch am stärksten überzeugt, sind die speziellen Leadsounds mit gut nuancierter Velocity (Anschlagstärke bestimmt die Attack-Zeit!) und großartiger Dynamik. Es sind Klänge, die – wir haben natürlich „nicht“ alle Keyboards dieses Planeten ausprobiert, aber doch einen soliden Einblick bekommen – möglicherweise nur ein BIT-Synthesizer zuwege bringt. Durch die so exakt reagierende Tastatur ist der BIT 99 unser persönlicher Favorit, denn hier kann man mühelos Soli erzeugen, die über enormes Dynamik-Potenzial verfügen und tatsächlich an das Spiel eines Natur-Instruments erinnern, inklusive Obertönen, Nebengeräusche und „Aussetzer“ – der BIT als Blasinstrument, der BIT als Streichinstrument!
Klangbeispiel Xtra: BIT 99 – Free-Solo zeigt die dynamische Bandbreite und den musikalischen Ausdruck eines direkt gespielten BIT 99. Und dieses Youtube Video präsentiert den BIT ONE in einer guten Live-Session – da „sieht und hört man“, wie exakt die Tastatur reagiert :)
Als wesentliche Besonderheiten der Klangarchitektur seien noch die SPLIT- / LAYER-Funktion sowie der STEREO-Modus genannt. Dass sich im LAYER-Modus die Polyphonie auf nur 3 Stimmen reduziert, damit muss man leben. Wir sind dennoch zufrieden, denn immerhin sind die oftmals monophon eingesetzten BIT Sounds (Basslines, Leadlines etc.) in gedoppelter Ausführung eben nochmals wuchtiger, was will man mehr? Aktiviert man STEREO, so erklingen im Single-Sound Modus die Töne abwechselnd rechts und links, bei SPLIT / LAYER sind die Stereo-Sounds dann entsprechend dem linken / rechten Kanal zugeordnet. Sehr fein.
Das CEM 3328 Filter des BIT mag seine Befürworter, aber auch seine Widersprecher haben. Wobei die etwas spezielle Klang-Charakteristik gar nicht am Filter selbst, sondern an der seltsamen Bauweise der Oszillatoren liegen dürfte. Wie dem auch sei: Bei erhöhter Filter-Resonanz fügt sich – besonders in mittleren / hohen Tonlagen – ein etwas blechernes, surrendes Element in den BIT-Sound ein. Dieser Klangaspekt verkörpert sicher nicht die Crème de la Crème der analogen Klangkunst, kann jedoch – sehr interessant – je nach angewähltem / programmiertem Preset den Grundsound doch wieder naturnah und musikalisch passend färben, Stichwort „Leadline“ und „Solostimme à la Blasinstrument“. Dass Filtersweeps eines BIT 99 / BIT 01 jedoch niemals die Eleganz eines Jupiter-8 oder Prophet-5 erreichen werden, das ist unbestritten.
Betreffend Oszillatoren sorgt die Pulswelle etwas für Stirnrunzeln. Zwar darf die Pulsweite via Velocity gesteuert werden (sehr schön), doch eine Pulsweitenmodulation via LFO ist nicht vorgesehen. Schade, wo es doch zwei LFOs gibt! Man kann sich allerdings selbst helfen und bei laufendem BIT 99 / BIT 01 die Pulswelle manuell modulieren – mittels gedrücktem „+“ bzw. „-“ Taster den Wert von 0 bis 32 (und zurück) „durchlaufen“ und so einen langsamen LFO simulieren. Oder entsprechende Velocity-Verläufe per MIDI an den BIT-Synthesizer schicken, das geht natürlich ebenso.
Als Pluspunkt muss wiederum ergänzt werden, dass man bei BIT 99 / BIT 01 „alle“ DCO-Wellenformen gleichzeitig aktivieren kann, was Mischwellenformen und somit eine etwas größere Klangvariation erlaubt.
Als Ganzes betrachtet: Der SOUND von BIT 99 / BIT 01 hat ein beachtliches Spektrum aufzuweisen – von warm und in die Breite gehend bis hin zu metallisch-hart und egomanisch durchsetzungsfähig. Und nein, nicht jeder Sound ist genial, der BIT kann sehr durchschnittlich tönen, andererseits aber auch erschreckend brillant.
Das Brillante liegt zum Teil an den DCOs, die – immer perfekt gestimmt – ein kraftvolles Signal liefern. Was im Umkehrschluss natürlich ebenso mit etwas „Sterilität im Sound“ einhergeht, da die sich verändernden Schwebungen eines Dual-VCO-Synthesizers nicht vorhanden sind (bzw. – Stichwort LFOs – in diesem Fall individuell programmiert werden müssen). Doch das ist auch gar nicht der Punkt, denn die Symbiose von kraftvollem DCO-Sound und expressiven Performance-Möglichkeiten – Velocity, MIDI, Stereo-Modus (!) – gibt dem BIT-Klang eben jenen speziellen Charakter und Ausdruck, den das Instrument nun mal auszeichnet.
BIT 99 versus BIT 01
Es ist ein Kuriosum: Warum liefert die MIDI-Ansteuerung eines BIT 01 nicht dasselbe Live-Resultat wie das direkte Spielen am BIT 99 selbst? Für uns bleibt es ein Rätsel. Wir haben viele Varianten ausprobiert und sogar das Masterkeyboard BIT MMK erworben, um sowohl den BIT 01 als auch den BIT 99 über luxuriöse 6 Oktaven ansteuern zu können – doch nein, das Live-Resultat via externer Steuerung bleibt hinter den Erwartungen zurück. MIDI-Latenz als Ursache?
Es ist jedenfalls genau der BIT 99, der die so feinen und brillanten Solo-Sessions direkt am Instrument ermöglicht. Die sehr leichtgängige Plastik-Tastatur – sie wirkt etwas billig – mag zunächst erschrecken, aber in Wirklichkeit bildet sie eine perfekte Symbiose mit der BIT-Klangerzeugung. Erst durch das BIT 99 Keyboard (bzw. BIT ONE Keyboard) erzielen die live gespielten Soli ihr Maximum an Dynamik und Expressivität.
Aus diesem Grund ist für uns nicht die Rack-Version, sondern der BIT 99 das Maß der Dinge ist. Doch wie immer ist das eine ganz persönliche Einschätzung, bezogen auf die individuelle Art und Weise, wie man eben Musik macht.
Und natürlich ist bekannt, dass in Studiokreisen der BIT 01 das deutlich gesuchtere Instrument darstellt – seiner kompakteren Größe und seiner besseren Bedienbarkeit wegen. Und dort, wo vor allem Sequencing und MIDI-Control im Mittelpunkt des musikalischen Schaffens stehen, ist die Frage der so „unmittelbar ausdrucksstarken Tastatur-Ansteuerung“ (BIT 99) ohnehin kein Thema, hier ist der BIT 01 sicher die effektivere Wahl, um an die glorreichen Electronic BIT-Sequences zu kommen …
Stereoping Controller, Tauntek Upgrade und (freier) BIT Software-Synth
Zwecks perfekter Integration des BIT 99 / BIT 01 im modernen Studio-Setup gibt es neben diversen Software-Controllern inzwischen einen externen Hardware-Programmer, der das direkte Programmieren der Instrumente erlaubt. Der Stereoping Synth Controller CE-1 ermöglicht den freien Zugriff „in Echtzeit“ mittels 16 Drehreglern.
Damit das in der Praxis dann auch funktioniert, muss der BIT-Synthesizer noch mit der neuen Tauntek Firmware ausgestattet sein, die der unermüdliche Bob Grieb für BIT ONE / BIT 99 / BIT 01 erstellt hat.
Schließlich noch den Hinweis auf die ebenso unermüdliche Full Bucket Music Plattform. Hier wird das kostenlose VST-PlugIn Bucket ONE angeboten (Windows bzw. MacOS), das den Sound von BIT 99 bzw. BIT 01 emuliert:
The Bucket ONE is a software synthesizer plug-in for Microsoft Windows (VST2/VST3/CLAP) and Apple macOS (VST2/VST3/AU/CLAP) simulating the classic Crumar BIT 01/99 synthesizers from 1985. It is written in native C++ code for high performance even on „lighter“ systems. Main features are:
- Close simulation of the original hardware
- Visual sound editor
- Up to 64 voices polyphony including Split and Double mode
- Two oscillators with three waveforms (triangle, sawtooth, pulse)
- Additional white noise generator
- Classic self-resonating four-pole lowpass filter
- Individual envelopes for VCF and VCA
- Two low frequency oscillators (LFOs)
- Supports MTS-ESP by ODDSound dynamic micro-tuning
- Resizable user interface (not „N“ version!)
- MIDI Learn – all parameters can be controlled by MIDI CC
- Plug-in supports Windows and macOS (32 bit and 64 bit)
Vielen Dank an Andy für den Hinweis!
BIT 99 / BIT 01 – Zuverlässigkeit und Service
Zurück zur „Hardware“. Unserer Erfahrung nach sind die BIT-Synthesizer zuverlässige und stabile Instrumente. Wir haben einen BIT ONE (CEM Filter), sechs BIT 99 und zwei BIT 01 (wobei einer der Expander seit jeher als „Leiche“ bzw. Ersatzteillager geführt wurde). Alle Modelle, die bei Kauf funktioniert haben, laufen auch nach 10 oder 20 Jahren noch tadellos. Keine technischen Abstürze, keine auslaufenden Batterien, alles bestens.
Ab und an ist die CR2032 Batterie zu tauschen – keine echte Herausforderung – und ganz selten muss ein BIT zweimal gestartet werden, da das Tuning beim ersten Hochfahren daneben liegt (was eine große Ausnahme darstellt, bei uns war es jedenfalls nach einer „mehrjährigen“ Pause an einem BIT 99 so der Fall). Darüber hinaus gibt es bis heute keine großen Klagen …
Doch fairerweise muss man die Sache in ihrer Gesamtheit darstellen. Die dualen VOLUME-Fader von BIT 99 / BIT 01 krachen zuweilen fürchterlich (wiederholt ist etwas Spray erforderlich) und können sogar kurzzeitig für ein Aussetzen des Audio-Signals sorgen. Auch berichten Techniker, dass bei einigen BIT-Serien die elektronischen Verbindungen auf den Platinen mangelhaft waren (und in diesem Fall ein großflächiges Nachlöten erforderlich ist). Einmal gerichtet, scheinen aber auch diese Modelle zuverlässig und ohne weitere Probleme zu laufen.
Gegenüber der Rack-Version ist die Keyboard-Version grundsätzlich um ein gutes Stück heikler. Die großen Tipptaster des BIT 99 sind hakelig, sie haben keinen exakten Druckpunkt und müssen mit Geduld betätigt werden. Bei Transport oder Kollision können die Plastik-Seitenteile ebenso wie die weißen Keyboard-Tasten leicht Schaden nehmen (wobei durch kleine ausgebrochene Stücke an der Tastatur oft „Zahnlücken“ entstehen). Und auch die rückseitigen Klinkenbuchsen können dazu neigen, sich unerwartet auflösen, in ihrer Plastik-Achse einfach durchzubrechen (wir haben es dreimal erlebt).
Das mag nun alles dramatisch klingen, ist es aber nicht, denn in der Praxis ist der Service-Aufwand eines gut funktionierenden BIT 99 / BIT 01 gering (die „Härtefälle“ haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte wohl schon verabschiedet). Fest steht jedoch, dass speziell der BIT 99 das Studio so wenig wie möglich verlassen sollte. Die etwas unpraktische Gehäuseform und die nicht besonders robusten Seitenteile / Keyboard-Tasten erlauben keine allzu großen „Hoppalas“ beim Umräumen / Bewegen / Hantieren.
Sollte ein Transport unvermeidbar sein, so ist ein passgenaues Hardcase für den BIT 99 ein absolutes Muss (ein Softcase würde da nicht reichen). Auch betreffend Lagerung ist ein Hardcase unabdingbar … durch seine seltsame Form kippt ein hochkant gestellter BIT 99 bei der kleinsten Erschütterung! Bleibt der Synthesizer hingegen gepflegt an seinem festen Platz im Studio, ist er ein so zuverlässiger und technisch stabiler Poly-Analog-Synthesizer, wie man ihn sich eben nur wünschen kann.
Gebrauchtmarktpreise
Bisher noch gar nicht angesprochen, kommt das Beste nun zum Schluss: BIT 99 / Bit 01 sind am Gebrauchtmarkt recht günstig zu haben. Allem voran das BIT 99 Keyboard, das in moderaten Preisregionen zwischen 600 Euro und 1.500 Euro gehandelt wurde bzw. gehandelt wird – moderat für einen 6-stimmigen Analog-Synthesizer mit MIDI, Velocity-Keyboard und Layer/Stereo-Modus! Ungefähr in derselben Preisspanne angesiedelt ist der BIT 01, der jedoch einerseits in geringeren Stückzahlen gebaut wurde und somit seltener ist, der andererseits – aus Sicht des modernen Studios mit limitiertem Platzangebot – das professionellere und gesuchtere Instrument darstellt. Speziell der BIT 01 mutiert daher – langsam, aber stetig – zur echten Vintage-Rarität.
Die anno 2023 noch relativ homöopathischen Preise der BIT-Synthesizer darf man jedenfalls in einen größeren Kontext stellen. Was kostet heute ein Roland Jupiter-8? (Das Zwanzigfache eines BIT 99 … und Frage: Klingt der Jupiter-8 auch zwanzigmal so gut?) Was kostet ein Oberheim OB-X? Astronomische Summen werden verlangt, nur weil diese oder jene Legende eben als Legende gilt. Ein BIT-Synthesizer im Low-Budget Bereich – jene Randnotiz in der Musikgeschichte – ist jedenfalls herzlich willkommen. Umso mehr, als der unscheinbare Italo-Synthesizer den famosen Boliden klanglich durchwegs Paroli bieten – oder sagen wir: sie sehr gut ergänzen – kann, auf seine ganz eigene BIT-Art-und-Weise.
Fazit
Crumar BIT 99 und BIT 01 (und natürlich auch der BIT ONE mit erweitertem MIDI) sind exzellente Analog-Synthesizer, die den Vergleich mit großen Klassikern nicht wirklich zu scheuen brauchen. Klarerweise haben sie ihre architektonischen Defizite: Osc-Sync und Ring-Mod sucht man ebenso vergebens wie Sample & Hold und ausgefuchste Modulationsmöglichkeiten. Vom wenig lusterweckenden haptischen Zugang ganz zu schweigen, denn das dürftig ausgestattete Bedienpaneel signalisiert recht klar: Soundoptimierung und Live-Tweaking wird hier zur Geduldsprobe!
Und dennoch: Die Soundoptimierung benötigt eben etwas Zeit und das Thema Live-Tweaking ist von untergeordneter Rolle, denn die Soundgestaltung funktioniert ausdrucksstark direkt über Velocity. Aufwendiger programmierte und gut performte BIT-Klänge (live am Instrument bzw. extern über MIDI) lassen lebendige Leadlines und Basslines entstehen, die in der Synthesizer-Landschaft – überraschend, aber tatsächlich – ihresgleichen suchen. Dass die technische Zuverlässigkeit von BIT 99 / BIT 01 „im soliden grünen Bereich“ liegt und der Gebrauchtmarktpreis der Instrumente bisher im sehr realistischen Rahmen geblieben ist, rundet die Sache dann nochmals positiv ab.
Diese Kleinode der Expressivität haben demnach nicht nur ihren speziellen Klangcharakter und ihren eigenen musikalischen Ausdruck, sie gehören im Jahr 2023 auch zu jenen seltenen Vintage Poly-Analog-Synthesizern, die tatsächlich noch relativ günstig zu haben sind.
Eine Empfehlung wert!
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50+ Minuten Audio-Files sind angefügt. Als Ergänzung zu den Klangbeispielen seien die verlinkten Youtube-Video sehr empfohlen. In zweien kommt jeweils nur der BIT 99 mit einigen Effekten zum Einsatz, doch das Ergebnis ist Elektro-Genuss pur! Das dritte Video demonstriert das MIDI / Arpeggiator Upgrade des BIT ONE …
Crumar BIT 99 / BIT 01
Polyphoner Analoger Synthesizer
6 Stimmen (12 DCOs) mit CEM 3328 Filtern, 2 ADSR, 2 globalen VC LFOs,
SPLIT/LAYER Sounds, Stereo-Out, Anschlagdynamik und MIDI
Maße / Gewicht:
Crumar BIT 99 Keyboard:
86 x 40 x 8 cm; 13,2 kg
Crumar BIT 01 Expander:
19 Zoll, 3 HE; 7,9 kg
Öffnen / Herunterladen:
Crumar BIT 99 / LEM Foto 1 (4000 x 2600 px)
Crumar BIT 99 / LEM Foto 2 (4000 x 2600 px)
Crumar BIT 99 / Weiß und Schwarz (4000 x 2600 px)
Crumar BIT 01 / UNIQUE DBE (4000 x 2600 px)
Links:
(Neue) Crumar Website
Stereoping Synth Controller CE-1
Originaler BIT 99 Artikel von 1985 (www.muzines.co.uk)
Crumar BIT ONE / 99 / 01 Testbericht (www.tastronauten.de)
HKA Design – Crumar BIT ONE MIDI + Arpeggiator Upgrade
Tauntek – Neue Firmware (MIDI CC Control) für BIT ONE / 99 / 01
Youtube Videos:
BIT 99 Demo von The Himer
BIT 99 Demo von deepsonic.ch
BIT ONE Demo von Harry Axten / HKA Design (MIDI / Arpeggiator Upgrade)