Trax RetroWave R-1 – von der Modelleisenbahn zum Synth

Wie so oft ist es auch hier purer Zufall und großes Glück, einem bisher unbekannten Instrument zu begegnen. Einem britischen Analogsynthesizer, handgemacht und klanglich vom Feinsten.

Es ist Anfang Mai 2013. Bei einem Routinebesuch auf eBay sticht der Trax RetroWave R-1 förmlich ins Auge. Schnell ist die Website ausfindig gemacht, der Hersteller zwecks Erwerb eines Exemplars kontaktiert und bereits wenige Tage später findet sich der RetroWave im heimischen Studio.

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Und wie so oft hat sich auch hier das Bauchgefühl als richtig erwiesen: Der RetroWave ist ein hochwertiger und angenehm zu bedienender, zudem vor allem aber auch exzellent klingender Analogsynthesizer.

Doch immer der Reihe nach …

Richard Rix …

… nennt sich der nette Gesprächspartner an der anderen Leitung bei Trax Controls. Das von ihm gegründete Unternehmen ist ein britisches Online Elektronik-Geschäft, das  unterschiedliche Apparaturen und elektronische Teile im Angebot hat. Dabei sind es vor allem Steuerungsmodule und Klangerzeuger für Modelleisenbahnen, die es Richard Rix angetan haben.

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Hier einige Beispiele von Trax Controls – Electronics For Model Trains:

  • Station Stop Modules (einfahrende Züge werden automatisch verlangsamt, bleiben kurz stehen und fahren selbständig wieder los)
  • Steam Sound Modules (für Dampfmaschinen-Klänge)
  • Diesel Engine Sounds (zur Erzeugung von Klängen von Dieselmaschinen-Loks)
  • Steam Whistles (zur Wiedergabe des charakteristischen Pfeiftons einer Dampflokomotive)

Solches Zubehör gehört – neben dem FC-1 Handheld Walkabout Controller (was auch immer es ist) zu den beliebtesten Produkten von Trax Controls. Des Weiteren gibt es noch Kleinteile wie Schalter, Drehknöpfe, Lampen, Netzteile, Sicherungen und viele andere Dinge für den elektronischen Bedarf.

Inmitten dieses bunt gewürfelten Aufgebots wirkt der RetroWave R-1 Midi-Controlled Analogue Synthesizer wie ein Irrtum, wie eine aus den oben genannten Kleinteilen sich selbst zusammen gefügte Fata Morgana.

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Doch nein, der RetroWave ist echt. Und er ist gut.

Von Netzteil, Handbuch und Patch-Kabeln …

Geliefert wird der RetroWave mit Netzteil, einem 26-seitigen Handbuch sowie 3 Patch-Kabeln. Das Netzteil kommt – wie inzwischen allgemein üblich – mit mehreren Aufsatzteilen, von denen der Kunde den passenden Stromstecker selbst auswählt.

Der kleine 24V-Anschluss beim RetroWave hat indes eine Überraschung parat. Er „hakt“ ein wenig. Was sich beim Einstecken zunächst so anfühlt, als wären entweder Stecker (weniger realistisch) oder Buchse (realistischer) verbogen, ist in Wirklichkeit zwecks sicherem Einrasten des 24V-Steckers so gedacht. Auch das Lösen des Synthesizers von der Stromversorgung erfordert etwas mehr Kraft, der kleine (ungewohnte) Widerstand ist auch hier deutlich zu spüren. Ein Vorteil des schwergängigen, aber klar einrastenden 24V-Steckers ist die Tatsache, dass ein versehentliches Ziehen am Kabel nicht sofort die Trennung des Synthesizers vom Stromkreis zur Folge hätte.

Das Handbuch des RetroWave ist exzellent aufbereitet, es ist grundsätzlich sehr verständlich formuliert und mit großen Grafiken versehen. Durch die gelben Umschlagseiten erinnert es zudem an das Manual des legendären britischen Synthesizers OSCar – Assoziationen werden wach …

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Die Lieferung der Patch-Kabel (1x lang, 2x kurz) ist eine aufmerksame Beigabe von Trax Controls. Sie macht deutlich, dass der RetroWave nicht nur als unabhängiger Bühnen- bzw. Studio-Synthesizer, sondern vor allem auch als „offenes“ Instrument im Zusammenspiel mit Modularsystemen / Controllern gedacht ist. Doch auch dank des MIDI-CV Interfaces kann man das eine oder andere Patchkabel „direkt“ am RetroWave sehr nützlich zum Einsatz bringen. Velocity (Out) auf VCO PWM gefällig?

… bis hin zum Äußeren

Eingebettet in ein Metall-Chassis mit beigefarbenen Wangen, sieht der RetroWave sehr ansprechend aus. Was diesen Desktop-Synthesizer von anderen Desktop-Synthesizern unserer Zeit unterscheidet, ist seine Größe. Ob nun Doepfer Dark Energy, Vermona Mono Lancet, Moog Minitaur, Waldorf Rocket oder anderes … alle diese Instrumente sind in der Tat „minimalistisch“ ausgelegt, grundsätzlich zwar viele Möglichkeiten bietend, doch so klein wie eben gerade noch möglich konzipiert. Anders der RetroWave. Er ist ein Pult-Instrument mit viel Raum, mit großen Knöpfen und einer – dank des großzügigeren Platzangebotes – erstklassigen Arbeitsfläche. Seine Größe entspricht in etwa der eines Access Virus (Rack).

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Die Potis haben bei einem Durchmesser von satten 1,5 Zentimetern (an der Oberkante, der Sockel ist noch breiter) beinahe Minimoog-Format. Sie liegen perfekt in der Hand, sind griffig und so gleichmäßig schwergängig, wie man es sich von einem guten Studio- bzw. Bühneninstrument erwartet.

Die Anschlüsse sind allesamt als 6,3 mm Buchsen ausgeführt, was dem einen oder anderen Eurorack-Modularsystem Benutzer im Zusammenspiel mit dem RetroWave etwas umständlich erscheinen „könnte“. Doch sind solche Buchsen immer in gewisser Weise auch dankbar, da ihre Größe professionelles und zuverlässiges Arbeiten garantiert (das Ein- und Ausstecken ist „nicht“ fummelig, auch die Beschriftung der Buchsen ist entsprechend klar und groß) und sie für Modularsysteme mit großen wie auch kleinen Buchsen gleichermaßen problemlos zu verbinden sind … Patch-Kabel mit 3,5 mm auf der einen und 6,3 mm auf der anderen Seite gehören wohl zum Standard-Repertoire jedes Modularsystem-Besitzers. Es sollte also in der Praxis für alle bestens funktionieren.

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So bestätigen die Anschlüsse zusammen mit den Potis, Schaltern und dem ganzen Äußeren die Tatsache, dass am Trax RetroWave wirklich „nichts“ fummelig, zu klein oder sonst wie betreffend Bedienkomfort zu minimalistisch geraten ist. Kurz: Die Haptik ist ausgezeichnet.

Dennoch, äußerliches Verbesserungspotenzial ist in einem Punkt gegeben. Die 3 Leuchtdioden (2x LFO und 1x Hüllkurve) des RetroWave leuchten extrem hell. So wäre neben den Patch-Kabeln noch eine Sonnenbrille als nette Beigabe durchaus passend gewesen. Die gelben Lichter sind bei direkter Aufsicht irritierend hell, ihr Streulicht macht einen Teil des Panels zur „blinden Zone“, in der man nichts mehr sieht. Doch ist dies wirklich nur bei Aufsicht direkt von oben der Fall. Sobald der RetroWave (wie wohl meist üblich) einfach so auf dem Tisch liegt, ist die Helligkeit überhaupt kein Thema. Und schön sehen sie natürlich aus, die gelben Dioden …

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Aufbau und Konzept

Der RetroWave ist in vielen Punkten ein bemerkenswert ausgereiftes Konzept. Zum einen ist es seine (bereits angesprochene) luxuriöse Größe. Angenehme Haptik, genügend Platz für Finger, Potis und Kabel, große Buchsen und ebensolche Beschriftungen … all das ist sehr entscheidend bei stundenlangem Arbeiten im Studio oder auf der Bühne. Zum anderen ist das Konzept der Klangerzeugung ebenso bemerkenswert. Der RetroWave ist zu 100% analog. Mit Ausnahme des MIDI Interfaces natürlich, wie sollte es auch anders sein.

Während bei so manchem modernen Synthesizer zwar Oszillatoren, Filter und Verstärker analog, viele andere Komponenten wie LFOs oder Hüllkurven jedoch digital konzipiert sind (was wiederum eigene Vorteile bieten kann, Stichwort MIDI-Clock auf LFO), ist beim RetroWave wirklich jeder Schaltkreis analog aufgebaut. Dies war auch meine erste Frage an Richard Rix, der sie umgehend wie folgt beantwortete:

„The only truly digital part of the circuit is the MIDI interface as you mentioned. The ADSR has a CD4001 NOR gate chip, and the sub-octave section has a 4013 dual D type flip-flop, but these have all been available since the 70’s as standard parts – the majority of the circuits (LFOs, VCO, VCF, Sample and Hold) are based on op-amps, with a few supporting transistors.” (Richard Rix)

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Der RetroWave verfügt über:

  • 1 VCO
    – Pulswelle (PWM)
    – Sägezahn
    – Dreieck
    – Sinus
  • Sub-Oszillator I und II
  • Noise
  • Voltage Controlled LowPass Filter
  • Voltage Controlled Amplifier mit Overdrive Funktion
  • ADSR mit Auto-Trigger (LFO 1)
  • 2 (hochfrequente) LFOs
  • Sample & Hold
  • Glide
  • MIDI und CV/Gate

So weit ein schneller Überblick. Während es wohl nicht allzu spannend sein dürfte, jede Komponente im Detail anzusprechen, möchten wir auf die vielen Besonderheiten des RetroWave eingehen …

VCO

Was man beim VCO des RetroWave auf den ersten Blick vermisst, ist ein Oktavwahl Schalter. Doch relativiert sich dessen Fehlen erstens durch jenen Kippschalter, der die Transponierung des Klanges um +/- 1 Oktave erlaubt und zweitens durch die ungewöhnlich weite Regelbarkeit des TUNE Poti. Selbiges ermöglicht eine Transponierung des VCOs um knappe 2 Oktaven nach unten bzw. oben.

So zeigt das folgende Foto eine +2 Oktaven Einstellung: Eine Oktave via Tune Regler, die zweite via Kippschalter.

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Zusammen mit den Sub-Oszillatoren (bis zu 2 Oktaven unter der Ausgangstonhöhe des Oszillators) bietet der RetroWave damit alle Bereiche des Audio-Spektrums an, die man sich wünscht (im Gegensatz zum Moog Minitaur etwa, der trotz seines herrlichen Klanges kein Spiel in sehr hohen Lagen erlaubt). Weiters reagiert der RetroWave bei eintreffenden MIDI Noten über die volle Bandbreite eines großen Masterkeyboards (im Gegensatz zu so manch anderem Konkurrenzprodukt, das MIDI Noten strikt nur über einen Bereich von 5 Oktaven empfängt). So gesehen ist man beim Trax RetroWave gut bedient, selbst wenn er keinen speziellen „Scale“ Schalter hat. Ein erster Hinweis, dass dieses Instrument durchdacht und in der Praxis gut einzusetzen ist.

Die Pulsweite lässt sich von 0 bis 100 % regeln. Das ist natürlich schön, zumal die in anderen Testberichten schon angesprochenen „Grenzbereiche“ von „keinem“ Klang (Nadelimpuls, wie wir seit dem Waldorf Rocket nun wissen) hin zur reinen Rechteckwelle hin zum wieder völligen Auslöschen des Pulsweiten-Klanges ein großes musikalisches Betätigungsfeld eröffnen. Die interne Modulation der Pulsweite ist durch LFO 2 oder die ADSR möglich.

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Kleiner Hinweis: Wenn der MAN(uell) Regler der Pulsweite ganz links oder rechts steht, hiermit also die „kein“ Klang-Zone eingestellt ist, so ist auch „kein“ Klang seitens der Sub-Oszillatoren die Folge … sollte sich der RetroWave mausetot stellen und man voreilig einen Defekt in Erwägung ziehen (so im Zuge dieses Testberichts geschehen), hier dürfte die Ursache liegen.

Stichwort Oszillator-FM: Die Hüllkurve darf – neben LFO 1, LFO 2 und Sample & Hold – zur Veränderung der Tonhöhe genützt werden, für Auto-Bend im klassischen Sinn. Das ist bei Effektklängen ebenso von Bedeutung (verstärkt noch durch die Auto-Repeat Möglichkeit der Hüllkurve) wie auch bei Leadsounds, wenn einzelne Noten „angeschliffen“ werden.

VCF

Das Filter beinhaltet zunächst einen kleinen Mixer, der alle Audio-Quellen im Angebot hat: VCO, Sub-Osc I, Sub-Osc II sowie Noise. Auch Audio-IN gibt es, doch verfügt es nicht über einen eigenen Lautstärkeregler.

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Speziell dieser kleine Mixer ist ziemlich genial, erlaubt er doch das Mischen von Wellenformen „on the run“ (auch wenn es „nur“ das VCO Signal mit zwei Sub-Oszillatoren sowie Rauschen ist). Schnell ist man im kreativen Arbeitsprozess, wenn Untertöne hinzugemischt, die Hauptwellenform aus- und Noise eingeblendet wird. Während das Rauschen hinzukommt, hat man nun den VCO von Sägezahn zur (modulierten) Pulswelle umgeschaltet und blendet den „neuen“ Klangeindruck – nebenbei Noise wieder aus dem Gemisch verschwinden lassend – ein. Nur als Beispiel. Hiervon wurde in den angefügten Soundfiles ausgiebig Gebrauch gemacht.

Die Filter Resonanz ist vom Allerfeinsten. Selbstresonanz par excellence. Zwar verliert das Filter bei zunehmender Resonanz an Kraft (was an sich normal ist), doch kehrt die Energie bei höheren Werten in Richtung Selbstoszillation umso stärker zurück. Beeindruckend.

Als Modulationsquellen des Filters stehen ADSR (+ und -), LFO 2 sowie Sample & Hold zur Verfügung … weiters Velocity (MIDI) sowie CV IN. Was will man mehr?

Zu den Modulationsmöglichkeiten noch drei Hinweise. Sehr gelungen ist Sample & Hold. Der Zufallsgenerator bedient sich der Clock von LFO 1 und des Rauschens. Da LFO 1 jedoch auch den VCO und das Auto-Repeat Verhalten der Hüllkurve steuern kann, ist es beim RetroWave mit wenigen Handgriffen möglich, sequenzerartige Patterns mit aufregenden Melodieverläufen und / oder ebensolchen Filtermodulationsorgien zu kreieren. Das Tempo des „unendlichen Loops“ lässt sich schnell an ein externes Delay zeitlich anpassen (LFO 1 FREQ rauf / runter) und schon hat man Zeit und Raum verlassen, um sich ganz der elektronischen Musik hinzugeben.

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Hinweis Nummer zwei betrifft LFO 2. Nachdem dieser – wie LFO 1 – im Frequenzbereich bis zu 170 Hz betrieben werden kann, lassen sich hier gute Vocal-Sounds erstellen. Gut im Sinne von gut, mehr nicht. Für wirklich abgefahrenes Filter FM wäre ein LFO bis über 1 kHz unabdingbar … Doch spielt dies keine Rolle, denn schon kommen wir zu …

… Hinweis Nummer drei, der dem externen CV-Eingang gewidmet ist. Viele Studio-Musiker dürften inzwischen das eine oder andere Modularsystem ihr eigen nennen. Oder auch einen Korg MS-20, vielleicht einen Dark Energy, etwas Halbmodulares sozusagen. Wie auch immer, das Einspeisen von leistungsstarken LFOs, weiteren Hüllkurven (VC Decay des A-100 Systems fällt hier als Stichwort ein) erweitert die Möglichkeiten des RetroWave nochmals um ein Vielfaches. Vor allem aber ist man betreffend Steuerung des Synthesizers über einen CV/Gate Sequenzer und den damit verbundenen Möglichkeiten auf der sicheren Seite. CV/Gate, Filter CV-In … alles ist da (und funktioniert tadellos). Ebenso wie MIDI, keine Frage.

Für unsere Demos rund um den RetroWave war es ein leichtes, die Roland TR-808 als Masterclock einzusetzen, zusammen mit dem kleinen A-155 Sequenzer und zeitgleich mit einem MIDI Masterkeyboard (zur Transponierung der Sequenzen). Die LFOs des Technosaurus Modularsystems dienten schließlich noch zur Erzeugung für herbe Filter FM-Sounds (doch auch die des A-100 Systems – oder beliebige, andere LFOs – wären bestens geeignet gewesen). So einfach kann Musikmachen sein.

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VCA, ADSR, LFOs und Sample & Hold

Hier wurde Wesentliches schon angesprochen. Die Hüllkurve des VCA darf im Tempo von LFO 1 – und damit im Tempo von Sample & Hold – in sich getriggert werden. In der VCA Abteilung wird Overdrive aktiviert bzw. wieder ausgeschaltet. Und hier gibt es noch einen quasi HOLD Schalter, der auf Bypass und damit Dauerton schaltet. Somit ist die Hüllkurve „frei“ für die ausschließliche Nutzung der Filtermodulation … oder der „Biegung“ der VCO Tonhöne … oder der Steuerung der Oszillator Pulsweite. Schließlich gibt es noch einen LOW und HIGH Schalter, der die globale Arbeitsweise der Hüllkurve in „kurz“ bzw. „lang“ einstuft. Sehr schlau, da man beispielsweise im HIGH Modus Einstellungen für perkussive Klänge noch feiner vornehmen kann – Stichwort Decay- bzw. Release-Zeit.

Eine dynamische Steuerung des VCAs via MIDI ist übrigens auch möglich. Einfach eines der mitgelieferten Patck-Kabel von Velocity (Out) zu VCA CV (In) einstecken und schon reagiert die Lautstärkeregelung auf eingehende Anschlagsstärken.

Schließlich gibt es noch Overdrive. Bei aktiviertem Overdrive kommt es zum bekannten Verzerren des Ausganges, speziell geeignet bei hohen Resonanzwerten des Filters. Dann klingt der RetroWave – im Allgemeinen den sanften Klängen keinesfalls abgeneigt – durchaus brutal und, nun ja, brüllend. Übersteuernd eben.

Das Klangspektrum ist hiermit in Summe sehr vielfältig. Während alles rund um die starke Filter-Resonanz (samt den dabei hervortretenden Obertönen) ohnehin ein kleines Universum für sich ist, bietet Overdrive eine wiederum eigenständige Klangwelt, vom „normalen“ Einsatz des Instruments samt aller Modulationsmöglichkeiten ganz abgesehen.

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Sound

Was will man sagen, wir haben hier einen echten Analogen vor uns, in all seinen Facetten. Die angefügten Klangbeispiele sprechen wohl für sich …

Der RetroWave macht viel Freude. Wir würden ihm so manchem Konkurrenten der unteren Preisklasse durchaus vorziehen, Stichwort Waldorf Rocket. Im dem Sinne, dass man nicht nur für ein paar Wochen oder wenige Monate, sondern wirklich sehr lange damit Musik machen und neue Klangfacetten entdecken möchte. Und in dem Sinne, dass man umfangreiche Zugriffsmöglichkeiten und in einem MIDI- und CV/Gate Studio alle Möglichkeiten der Verbindung mit analogen wie digitalen Instrumenten offen zur Verfügung hat. Doch natürlich ist dies eine subjektive Beurteilung der Vorzüge des RetroWave. „Wie“ man arbeitet und Vor- bzw. Nachteile in bestimmten Instrumenten erkennt, ist ohnehin jedem Musiker selbst überlassen …

Kleines Potenzial der Verbesserung

Drei Dinge sind es, die Trax im RetroWave noch verbessern könnte. Dabei lassen wir die hell leuchtenden Dioden außen vor und wenden uns der Musikpraxis zu.

Der sehr gut durchdachte TUNE Regler lässt sich wunderbar als Pitchbender einsetzen. Als hervorragender Pitchbender, genau genommen, bietet er doch bei knappen 2 Oktaven Umfang (+/-, in der Praxis also fast 4 Oktaven) doch einen beachtlichen Tonumfang. (Es ist nach wie vor ein Rätsel, warum bei vielen Synthesizern die TUNE Funktion eines Oszillators nur bis +/- eine Quinte vorgesehen ist. Quasi die Vorgabe, die ein Minimoog anno 1970 als Maßstab setzte und seither nicht verändert wurde. Das „Beugen“ über zumindest eine Oktave – oder mehr – macht jedoch musikalisch enorm viel Sinn, speziell da der Klangeindruck eines sich kontinuierlich verändernden Tones doch ein entschieden anderer ist als das bloße Umschalten von einer Oktave in die nächste.) Doch zurück zum RetroWave.

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Der löblich umfangreichen TUNE Funktion ist entgegen zu halten, dass die Mittelposition keine Rasterung hat. Im Klartext findet man damit den Nullpunkt mit ziemlicher Sicherheit nicht auf Anhieb wieder, was den Einsatz von TUNE als extrastarken Pitchbender wieder obsolet macht. Natürlich, Trax hat hier denselben Drehknopf wie bei allen anderen Funktionen des RetroWave zum Einsatz gebracht, betreffend Effizienz bei der Herstellung des Instruments ist damit alles klar, aus der Sicht des Herstellers. Doch aus der Sicht des Musikers wäre genau die „kleine Kerbe für den Nullpunkt“ im TUNE Poti von großer Bedeutung. Ein minimale Rasterung in der Mitte, es wäre ausreichend.

Punkt zwei betrifft MIDI. Neben MIDI Kanal, Note und Velocity werden keine weiteren Daten übermittelt. Leider eben auch nicht Pitch-Bend Informationen, was etwas schade ist, da der RetroWave durchaus Leadsynthesizer-Qualitäten hat und hier der Pitch-Bender wohl zu den wichtigsten Controllern gehört … zumal der oben genannte Tune Regler keinen so rechten Ersatz darstellt. Das MIDI-CV Interface stammt übrigens von Trevor Page. Es ist ein DIY Projekt, das durchaus eine Veränderung der CV Zuweisungen erlauben würde.

„Pitch bend is not supported in the current MIDI hardware, although it is something that we could address in future in collaboration with Trevor Page.“ (Richard Rix)

MIDI Kanäle lassen sich am RetroWave – nebenbei – (nur) von 1 bis 12 einstellen, doch darf dies nicht als Kritik gelten: 12 verfügbare Kanäle sollten in jedem Studio mehr als ausreichend sein.

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Punkt drei ist wohl der heikelste. Da gibt es nämlich ein leichtes Brummen im Ausgangssignal. Es ist nur bei geöffnetem Verstärker, also bei aktivem Ton, zu hören. Und hier speziell bei leisen Sounds. Sobald das Filter in voller Wucht zum Einsatz kommt, fallen solche Feinheiten natürlich nicht mehr auf. So möchten wir lediglich darauf hinweisen, dass entweder der Mixer (so sieht es aus) oder der VCA bei unserem Modell nicht ganz lupenrein arbeiten. Doch das dürfte in Zukunft „passen“, wie Richard meint:

„The „hum“ you hear when all signal sources are turned down could be caused by leakage of the VCO signal through the printed circuit board tracks – we tried to minimise this as much as possible, – further work on future releases of the circuit board will hopefully eliminate this altogether.“ (Richard Rix)

Der RetroWave in der Praxis

Minimalen Verbesserungsmöglichkeiten zum Trotz ist der Trax RetroWave ein fantastischer Analogsynthesizer. Er bietet mit seinen beiden gleichzeitig verfügbaren Sub-Oszillatoren hammermäßige Sounds, Energie vom Feinsten. Und dank des Mischers gibt es viele Möglichkeiten für subtile Klangverschiebungen. Das Filter ist sehr gut klingend, edel in vielerlei Hinsicht (und hier ist es „nicht“ so sehr das Overdrive, das zählt, es ist das Filter in seinem bloßen, grundlegenden Einsatz).

All die Modulationsmöglichkeiten – 2 LFOs, Sample & Hold, ADSR – sprechen, zusammen mit den umfangreichen PWM Quellen, den CV/Gate Anschlüssen und dem effektiven Velocity-auf-Filter MIDI Verhalten, für sich. Schließlich erhält man eben nebenbei noch ein MIDI-to-CV/Gate Interface kostenlos, kann also einen weiteren 1 V/Okt Analogsynthesizer an den RetroWave hängen und dabei nicht nur Tonhöhe bzw. Gate, sondern auch die Velocity-Informationen weiterleiten. Sehr fein.

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So ist der RetroWave ein sehr freundliches Instrument. Er ist ein Genuss zum Bedienen, bietet ausreichend Platz, große Regler, große Buchsen. Die Kombination von MIDI und CV/Gate ist sehr gelungen. Während einige User das Fehlen von MIDI Thru vermissen dürften, genießen wir stattdessen das Vorhandensein der zusätzlichen CV Steuermöglichkeiten rund um VCF, VCA und PWM! Eine wirklich angenehme Arbeitssituation im Zusammenspiel mit Modularsystemen (bzw. MIDI-CV Interfaces) im Studio. Und schließlich: Audio-IN gibt es auch, wie einmal kurz angesprochen. Zur Einbindung und Verarbeitung externer Soundquellen, womit sich der RetroWave natürlich als flexibles Filtermodul nützen lässt.

Schließlich aber klingt der RetroWave äußerst ansprechend, angenehm knackig, lebendig und mächtig.

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Die folgenden Soundbeispiele – 35 Minuten Musik – demonstrieren die Vielfältigkeit und den Charakter des Instruments. Speziell sei auf „Filter Resonance 1“ hingewiesen. So schöne Obertöne hört man nicht von jedem analogen Filter .

Trax RetroWave R-1

Monophoner Analoger Synthesizer

Stand 2022 wird der RetroWave R-1 nicht mehr gebaut.

Kategorie 2013, Testberichte

“Es genügt, einen Ton schön zu spielen” sagte der Komponist Arvo Pärt im Jahre 2005. Diese Aussage ist ebenso einfach wie ich auch exzellent: Es braucht kein Meer an Tönen, denn entscheidend ist der Klang. Dass so mancher Vintage-Synthesizer der 70er und 80er Jahre teils unerreicht hochwertige Klänge liefert, steht außer Frage. Doch tatsächlich leben wir “heute” in einer nahezu perfekten Zeit. Einerseits hat man – mehr oder weniger – noch Zugriff auf die Vintage Analogen, andererseits wird auch bei Neugeräten die wichtige Komponente des hochwertigen Klanges wieder zunehmend berücksichtigt. Doepfer, Cwejman, Synthesizers.com, MacBeth, Moog, GRP, Studio Electronics, COTK, John Bowen und andere Hersteller bauen hervorragende Synthesizer, die den “Klassikern” in nichts nachstehen. All diesen (alten wie neuen) “großartigen” Instrumenten ist Great Synthesizers gewidmet. _________________________________________________________ In 2005 composer Arvo Pärt said: “Playing one tone really well is enough”. In other words, it is sufficient to play one tone 'beautifully'. I agree with that. All musical efforts are focused on the sound itself. Although I studied classical music (piano and drums), it’s the electronic sound that inspires me. Synthesizers are the epitome of new sounds and exciting tonal spheres. Today, many companies produce high-quality - excellent! - synthesizers: Doepfer, Cwejman, MacBeth, Moog, GRP, Synthesizers.com, COTK, Studio Electronics, John Bowen and others. It's their products I'm really interested in ... apart from Vintage Synthesizers, which I have been collecting for 20 years. Subsequent to our former websites Bluesynths and Blogasys, Peter Mahr and I have now created GreatSynthesizers. We hope you like it.

4 Kommentare

  1. Welch ein Ohrenschmaus, wie organisch! Wie kommt eine so exotische Firma zu solch einem edlen Klang? Ein absoluter Geheimtipp. Dankesehr für diesen Test, ich hab mir einen Synth der neuen Marge (ab 02/21) bestellt und laut Hersteller ist das Brummen eleminiert, die LED dunkler und der Pitch-Wheel-Modus implementiert. Jetzt bleibt noch abzuwarten, ob ich dafür Brexit-Zoll zahlen werde müssen. Er wäre es Wert :)

  2. Theo Bloderer

    … vielen Dank für den Kommentar und die Hinweise betreffend Verbesserungen des Trax RetroWave R-1. Ich habe noch immer zwei Exemplare aus dem Jahr 2013 und bin – ungeachtet der kleinen (inzwischen behobenen) Einschränkungen – nach wie vor zufrieden mit dem Instrument. Übersichtlich, schöner Klang, technisch eher „basal“ und doch musikalisch so ergiebig. Hoffe dein Brexit-Zoll – falls anfallend – hält sich in Grenzen. Viel Freunde mit dem RetroWave!

    Ganz LG – Theo

  3. Kleines Update für Interessierte: ich musste 95 Euro Zoll zahlen. Danke, Boris Johnson.
    Der Synth hat noch ein neues Poti (für Pitchbend) bekommen und die Patchkabel sind nicht mehr inklusive.

  4. Theo Bloderer

    … danke für die Info. Ich hoffe der Trax kann dir die Zollgebühren zumindest „klanglich“ ein wenig zurück geben. Ganz LG …

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