Roland Jupiter-8 – der Meister des Synthie-Pops

Roland Jupiter-8: Schon der Name ist Magie in den Ohren vieler Musiker – und das Instrument selbst ein Objekt heißer Begierde (anno 1981 ebenso wie heute). Neben dem Prophet-5 ist der Jupiter-8 wohl „der“ Meilenstein in der Vintage-Geschichte der polyphonen Analogsynthesizer.

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Doch interessant: Wenn man den Jupiter-8 anno 2022 hört, so ist er – selbstredend – immer noch beeindruckend, zugleich aber (möglicherweise) etwas weniger spektakulär als einige seiner vintage Zeitgenossen.

Seien es nun Moog Memorymoog, Sequential Prophet-5, Rhodes Chroma, Yamaha CS-50/60/80 oder Oberheim OB-X/Xa bzw. Oberheim OB-8: Jedes dieser Instrumente klingt – natürlich je nach Empfinden des Musikers – möglicherweise lebendiger und analoger als ein Jupiter-8. Ob nun aufgrund der weniger exakten Stimmstabilität, des spezielleren Filter-Designs oder der umfassenderen Modulationsmöglichkeiten oben genannter Synthesizer – die Gründe dafür sind vielfältig.

Und dennoch: Man frage irgendeinen Keyboarder rund um den Globus nach seinem geheimsten aller geheimen Wünsche, seinem Traum der Träume …

Roland Jupiter-8 Synthesizer

… in den meisten Fällen wird der Befragte ganz leise, ehrfürchtig und mit geradezu flehendem Blick ins Mikrofon flüstern: „Also, das wäre ein  . . .  R  o  l  a  n  d  . . .  J  u  p  i  t  e  r  . . .  8.“

Da es rund um das 8-stimmige Synthesizer-Flaggschiff und seine Auswirkungen auf die Musikwelt ganze Bücher zu füllen gibt, bleiben wir bescheiden und konzentrieren uns auf 5 Thesen zum Jupiter-8.

These 1: Die Konsolidierung der Firma ROLAND

Ein Blick zurück. 1972 gegründet, hat Roland jahrelang mit finanziellen Unsicherheiten zu kämpfen. Zu jung (und unbekannt) ist die Firma, als dass japanische Banken dem Unternehmen große Kredite gewähren würden. Wie also die nötigen Bauteile zur Herstellung der Instrumente bezahlen? Wie wirtschaften?

Firmengründer Ikutaro Kakehashi bekommt seine Kredite, allerdings nicht von den Banken, sondern von seinen Lieferanten. 90 Tage werden ihm zugestanden, um die Bauteile zu bezahlen. 90 Tage, in denen besagte Teile in Instrumente umgewandelt und diese wiederum am Markt verkauft werden müssen.

Roland Jupiter-8 Synthesizer

„Damit Roland gesund und munter blieb, mussten wir das Kreditfenster von 90 Tagen effektiv nutzen und Produkte entwickeln, von denen wir sicher waren, dass sie sich im Ausland verkauften, und die zudem das Potenzial hatten, in Japan akzeptiert zu werden. Dies war weniger eine strategische Entscheidung, als vielmehr die Anerkennung der Realität.

Wir waren uns bewusst, dass wir auch im günstigsten Fall mindestens vier bis fünf Jahre lang auf die Kredite unserer Lieferanten angewiesen sein würden. Wie sich herausstellte, dauerte es tatsächlich sogar acht Jahre, bis wir eine kontinuierliche positive Bilanz zwischen Einnahmen und Ausgaben erzielen konnten.“

(Quelle: Ikutaro Kakehashi – Mein Leben für die Musik, PPVMedien Verlag, S. 92/93)

Die dauerhafte und solide finanzielle Basis für Roland kommt schließlich und endgültig 1980/81 mit dem Jupiter-8. Der neue Synthesizer aus Japan ist zwar sagenhaft teuer (980.000 YPN, ca. 10.000 DM), aber auch sagenhaft gut. Profi-Musiker rund um den Globus wollen (und bekommen) den klanglich angesagten, modern aussehenden 8-stimmigen Polyphonen aus Japan.

Zusammengefasst: Mit dem Jupiter-8 kann sich Roland endgültig am Weltmarkt etablieren und zu einem Global Player im Synthesizer-Bereich aufsteigen.*

Roland Jupiter-8 Synthesizer

[* Noch ein Jahr zuvor, 1980, stand Roland überraschenderweise kurz vor dem Bankrott. Der Wechselkurs vom Yen zu den europäischen Währungen änderte sich dramatisch und verteuerte japanische Importe nach Europa drastisch. Das für den Vertrieb von einem Drittel der weltweit verkauften Roland-Produkte zuständige Unternehmen Brodr Jorgensen (Sitz in Kopenhagen) erklärte sich sogleich geschäftsunfähig.

Der von Roland bereits auf dem Importweg befindliche Warenstand (Wert: mehr als eine Million Dollar) drohte – sobald die Schiffe das europäische Festland erreicht hätten – in der Konkursmasse von Brodr Jorgensen verloren zu gehen. Das wäre auch das finanzielle Aus von Roland gewesen. Doch die Schiffe konnten von Kakehashi zurückbeordert und die Ware gerettet werden. Schließlich half noch der großzügige Kredit einer japanischen Bank – die dritte und letzte Möglichkeit, die befragt wurde – zum raschen Wieder-Aufbau des europäischen Roland-Vertriebsnetzes. Rettung in allerletzter Sekunde.]

These 2: High-End-Technik, oder: Das Beste vom Besten

Als aufstrebendes Unternehmen ist es in den 70er- und 80er-Jahren das Ziel von Roland, dem Musiker nur das Beste (vom Besten) zu geben. Betreffend der Instrumente muss natürlich auch die jeweilige Zielgruppe in Betracht gezogen werden: In ihrer Entstehungszeit sind SH-1, SH-2 und SH-3 speziell für Studenten (und deren Budget) gedacht. Jupiter-4 und Jupiter-8 zielen hingegen auf den gehobeneren „Markt für Solo-Orchesterstimmen“ ab, Stichwort „Polyphonie“. Doch sei es wie es sei: Man nehme einen x-beliebigen Roland-Synthesizer der 70er-Jahre / frühen 80er-Jahre und muss gestehen „Die bauliche Qualität, die stimmt“.

Roland Jupiter-8 Synthesizer

In den Punkten technische Verarbeitung und Zuverlässigkeit lässt sich die einfache Faustregel anwenden: japanische polyphone Analog-Synthesizer „gut“*, amerikanische polyphone Analog-Synthesizer „problematisch“. Während viele der eingangs erwähnten Klassiker – vom Memorymoog bis zum Rhodes Chroma – den Jupiter-8 in ihrer Flexibilität und in ihrem musikalischen Ausdruck möglicherweise übertrumpfen, kommt keines der Instrumente an die hochwertige Bauweise des Roland-Klassikers heran.

[* Yamahas CS-80 ist die Ausnahme der Regel. Zu aufwendig und zu komplex ist sein Innenleben, als dass dieser Koloss jemals das Attribut „zuverlässig“ erzielen könnte.]

Noch heute zählt der Jupiter-8 zu den technisch herausragendsten Synthesizern der Geschichte. Er ist mit Abstand der zuverlässigste polyphone Analoge der Synthie-Pop Ära. Ein technisches Meisterwerk.

These 3: Das zeitlose Design

Kurz und schmerzlos: Der Jupiter-8 hat das schönste Synthesizer-Design aller Zeiten. Dies ist natürlich (wie immer) eine subjektive Einschätzung, doch wir bleiben dabei: Es ist der mit Abstand best-designte Synthesizer. Ein gut erhaltener Jupiter-8 sieht anno 2022 noch immer so atemberaubend aus wie anno 1981.

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Nick Rhodes: „… the best designed synthesizer I’ve ever seen. It’s so streamlined, and everything is in the right place.“

(Quelle: Peter Forrest – The A-Z of Analog Synthesisers, Part Two, S. 109)

These 4: ANALOG mit DIGITALEN Wesenszügen

Seit Jahren rätsle ich, warum der Jupiter-8 weltweit so begehrt ist. Klingt nicht der Memorymoog deutlich aufregender? Hat nicht der Chroma viel mehr Lebendigkeit im Gepäck? Ist nicht das Stereo-Klangbild eines Oberheim OB-8 musikalisch deutlich inspirierender?

Nun, es heißt „Abstand nehmen“ von heutigen (vergleichenden) Sichtweisen. Der Jupiter-8 kommt 1981 auf den Markt und merzt mit einem Schlag all jene Schwächen aus, unter denen viele Konkurrenz-Produkte zu leiden haben. Allem voran klingt er „stabil“, ja, er nimmt – wenn man so will – schon wesentliche Charakterzüge des digitalen Zeitalters vorweg.*

Charakterzüge, die sich mit den Begriffen Exaktheit, Stimmstabilität, Zuverlässigkeit und modernes Design umreißen lassen. Eigenschaften die – als Beispiel – auch einen Yamaha DX7 auszeichnen (obwohl ein Vergleich beider Instrumente „in keiner Weise“ angedacht ist). Doch damit bietet der Jupiter-8 – in all seiner so zuverlässigen und exakten Herrlichkeit – analoge Kraft und ein hohes Maß an digitaler Präzision, beides vereint in seinem speziellen Klang.

[* Zugegeben, anfänglich hatte auch der Jupiter-8 Probleme mit der Stimmstabilität. Doch durch Tausch des Wandlers von 12-Bit auf 14-Bit wurde dies behoben.]

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Der Jupiter-8 bietet einen Klang, der – nun die Sichtweise Anfang der 80er-Jahre – großteils ohne lästige „driftende Stimmen“ auskommt, ein Klang, auf den immer Verlass ist, der zudem mit 8 Stimmen umfassendes Akkordspiel – noch dazu exakt und harmonisch präzise – ermöglicht, ein Klang schließlich, der sich im Bruchteil von Sekunden stimmen lässt (14-Bit Modelle des Jupiter-8), in Summe eben ein Klang, den ein durch und durch professionelles Instrument auszeichnet.

Neben dem professionellen, in Ansätzen „digitalen“ Analog-Klangcharakter, hat der Jupiter-8 auch erstmals konkrete digitale Elemente in der Technik zu bieten.

„Roland hatte 1981 bereits seine eigene serielle Schnittstelle für Instrumente entwickelt, den „DCB Bus“ (Digital Communication Bus […]). 1982 stellten wir die Synthesizer Jupiter-8 und Juno-60 zusammen mit dem Sequencer JSQ-60 vor, die alle mit dem 14-poligen DCB-Bus ausgestattet waren.“

(Quelle: Ikutaro Kakehashi – Mein Leben für die Musik, PPVMedien Verlag, S. 199)

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Die ab Ser. No. 282880 mit Werks-DCB ausgestatteten Jupiter-8 Synthesizer können mit dem zusätzlichen Interface OP-8 an die Welt des MC-4 Sequenzers bzw. mit dem MD-8 Interface an die MIDI-Welt angeschlossen werden.

These 5: Meister des Synthie-Pops

Zugegeben, der Begriff ist etwas zu eingeschränkt. Der Jupiter-8 wird Anfang der 80er-Jahre keineswegs nur von Synthie-Pop-Bands erfolgreich zum Einsatz gebracht, auch in der Filmmusik, ja, in der gesamten Musikwelt bleibt das Flaggschiff der Roland-Synthesizer-Familie noch bis in die späten 80er-Jahre ein hoch geschätztes und regelmäßig verwendetes Studio-Instrument. Die Renaissance des Jupiter-8 tritt dann – wie bei fast allen Analogsynthesizern – ab der Mitte der 90er-Jahre ein und dauert bis heute an.

Das Erscheinungsjahr des Jupiter-8 liegt in der hohen Zeit des Synthie-Pop, mit unzähligen „Synthesizer-Bands, die ihre Musik zunächst auf den ebenfalls in großer Zahl entstehenden Independent-Labels veröffentlichten. Viele dieser Bands beriefen sich eindeutig auf Kraftwerk, wobei aber ein Trend zu kompakteren, eingängigen und tanzbaren Songs erkennbar wurde. Als Vertreter dieser ersten großen Welle von Synthie-Interpreten (ca. 1978–82) wären Depeche Mode, Pet Shop Boys, OMD, The Buggles, New Order, Eurythmics, Soft Cell, Gary Numan, Blancmange, Yazoo, Ultravox und Visage zu nennen.“

(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Synthie_Pop)

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Kaum ein professioneller Studio-Keyboarder, der „nicht“ den Jupiter-8 sein eigen nannte bzw. noch heute sein eigen nennt. Dabei ist es anno 1981, als das neue Wunder-Instrument nach und nach die Studios erobert, gar nicht so einfach, einen Jupiter-8 überhaupt zu bekommen.

„When the Roland Jupiter-8 first came out, it was the most desired instrument on earth – so, needless to say, you couldn’t get it. There was a waiting list for it. We had a very good relationship with Roland, though, due to the fact that I worked with Jeff Baxter from the Doobie Brothers. He was under contract with them, so he had access to the instruments. He put in a word, you know, so I definitely got a deal.

The Jupiter-8’s particular sound comes from the structure of the two oscillators of each bank – of each voice – so you can actually layer them. This makes for a very fat, good sound. The Jupiter-8 was my main instrument for melodies – all the “Axel F” melodies were made on it.“

(Quelle: Harold Faltermeyer’s Favorite Synths, RedBull Music Academy)

Roland Jupiter-8 Synthesizer

SOUND

Nun, zum Kern des Instruments. Es stimmt natürlich, dass der Jupiter-8 einen hoch professionellen Analog-Sound hat. Seine Stärken liegen beispielsweise in den Bereichen:

  • Kräftige Lead-Sounds (Unisono!)
  • Mächtige VCF-Sweeps (das Jupiter-8 Filter klingt sahnigst!)
  • Schräge Cross-Modulation-Klänge (etwas unkalkulierbar, aber interessant)
  • „Screamy“ Sync-Sounds (v.a. in Verbindung mit Pitch-Bending von VCO2)
  • Massive Double-Sounds (z.B. mit daraus resultierenden Stereo-Modulationen)
  • Weiche Pad-Sounds (verstärkt durch Performances des LFO-Trigger-Schalters)
  • Arpeggio-Performances (Leckerbissen: ARP Random Mode)
  • Ausdrucksstarke und experimentelle CV-IN Performances (mittels VCF/VCA EXT CV-IN), auch interessant in Verbindung mit der externen Trigger-Möglichkeit des Arpeggiators

Hervorzuheben ist der durch und durch edle Filter-Klang des Jupiter-8. Bei angehobener Resonanz entwickelt das Instrument ein sehr feines, anmutiges Klangverhalten. Gut möglich, dass man dies nicht „sofort“ als solches wahrnimmt, doch gerade die Kombination aus weichem Grundsound und kraftvollen Filter-Sweeps ist sicherlich ein wichtiger Teil der „Jupiter-8-Magie“. In der Literatur wird gar ein Vergleich mit dem legendären Yamaha CS-80 nicht gescheut:

„[…] the JP-8’s range of unbeatable synth/brass patches quickly established it as the only real rival to Yamaha’s CS-80, the previous undisputed world champion in the heavyweight division.“

(Quelle: Julian Colbeck – Keyfax Omnibus Edition, MixBooks, S. 105)

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Während das Instrument im Modulationsbereich eher mittelmäßig ausgestattet ist – nur ein LFO (genau genommen sind es ja zwei – pro Synthesizer-Hälfte einer), weiters Cross-Modulation, Sync und Noise, das war es – lässt sich der Jupiter-8 dank seiner vorbildlichen CV- und Sync-Möglichkeiten auch für extreme experimentelle Einsätze verwenden. In zwei der angefügten Klangbeispiele kommt beispielsweise ein externer (weitreichender) LFO für die VCF-Steuerung zum Einsatz. Das entlockt dem Instrument – speziell bei maximaler Filter-Resonanz – auch durchaus ungeahnte Klänge.

Grundsätzlich ist dem Jupiter-8 absolute Mix-Tauglichkeit zu bescheinigen. Ein sehr wichtiger Punkt, bei dem so mancher Konkurrenz-Synthesizer das bittere Nachsehen hat.*

[* Moog Memorymoog als starkes Gegenbeispiel. Ein Synthesizer, der solistisch hervorragend klingt, im Mix jedoch alles dichtmacht – ein in diesem Bereich zu dominantes Instrument, wie nicht wenige Memorymoog-Besitzer bestätigen.]

Der Sound des Jupiter-8 ist jedenfalls durch und durch hochwertig. Sein sehr „cleaner“ Analog-Sound bringt ihn jedoch heute auch ein wenig in Bedrängnis. So kommt ein Access Virus Synthesizer – oder manch anderer virtuell-analoger – in bestimmten Klang-Bereichen durchaus an die Mächtigkeit der Jupiter-8 heran. Wo keine „driftenden“ Stimmen, wo kein starkes „Out-Of-Tune“ (alles Dinge, die der Jupiter-8 in eher kleinem Maße vorzuweisen hat), da lässt sich das Original von guten Virtuellen eben nicht leicht unterscheiden.

Natürlich sprechen wir hier von Brot-und-Butter-Sounds, weichen Sägezahn-Pads beispielsweise. Geht es um schreiende (röchelnde?) Sync-Lead-Lines, wird dennoch kein Virtueller dem Jupiter-8 das Wasser reichen können. Und im experimentellen Bereich (Cross-Modulation, EXT CV-IN Spielereien) bleibt das Virtuelle/Digitale ohnehin meist weit (weit) zurück.

Noch ein Wort zum Roland MKS-80. Der SUPER JUPITER ist ein exzellenter Rack-Synthesizer, wobei es Unterschiede zwischen Rev. 4 und Rev. 5 gibt. Unser klanglicher Favorit ist der MKS-80 Rev. 5, wenngleich hier spezielle (und am Gebrauchtmarkt sehr selten erhältliche) Roland-Custom-Chips zum Einsatz kommen, was die Anschaffung der späten Revision zu einem gewissen Risiko macht.

Durch das eigenständige Konzept (eine Mischung aus Jupiter-6 und Jupiter-8), MIDI und den schönen dynamischen Möglichkeiten (VEL, AT), vor allem aber auch durch die „minimalistischere“ Haptik des zugehörigen MPG-80 Programmers, ist das MKS-80-Bundle dennoch kein „Jupiter-8 im Rack“, als vielmehr ein durchwegs eigenständiges Instrument.

Roland Jupiter-08 / JP-08 Synthesizer

Ob der neue JP-08 im Desktop-Boutique-Format einen Ersatz für den Jupiter-8 darstellt: Wir wissen es nicht. Die Fader in Zahnstocher-Größe sind jedenfalls ein deutliches Zeichen der gegenwärtigen Toys’R’Us-Synthesizer-Kultur. Im Studio ist ein solches Instrument (sofern es diesen Namen überhaupt verdient) aus unserer Sicht daher – seiner spielzeughaften Bauweise wegen – ein No-Go.

Und ja – wie sieht es mit dem neuen JUPITER-X aus? Man lese den Testbericht (und viele andere Rezensionen), höre sich die Soundfiles an und … mache sich ein eigenes Bild.

„JUPITER-X combines classic Roland design and premium build quality with a powerful new synth engine. It faithfully recreates sought-after instruments from our long history of genre-defining sounds. And with multiple layers, loads of polyphony, and deep hands-on control, you can craft huge, spacious sounds that have as much sparkle as they have warmth and punch.“ (www.roland.com)

Roland Jupiter-X Synthesizer

Bauweise und Design des Jupiter-X sind jedenfalls sehr gut, da stimmen wir zu. Darüber hinaus – betrachten wir das reine MusikInstrument – ist unsere persönliche Meinung etwas weniger euphorisch …

Der Jupiter-X klingt gut. Sehr nett. Er kann viel. Und doch gibt es da keine new synth engine, welche sollte das sein? Auch eine old synth engine im Stile des Jupiter-8 findet man nicht. Eher eine durchschnittliche Allwetter-Synth-Engine. Für schöne, warm klingende und durchaus typische Roland-Flächensounds, das schon. Für gute Arpeggio-Klänge und massive Sequencing-Collagen, das auch.

Aus unserer Sicht ist der Jupiter-X ein sehr brauchbarer Sample-basierter, VA-basierter Allround-Synthesizer mit diversen Extras. Und doch ist er – ähnliches Design hin oder her – kein Roland Jupiter-8 oder Juno-106 oder SH-101 oder … was auch immer.

Daher der Hinweis: Wem es um den so typischen (so wunderbaren) polyphonen Vintage Roland-Sound geht, der sei auf den Juno-60 verwiesen. Dank seines integrierten (wenn auch kräftig rauschenden) Stereo-Chorus klingt der Juno-60 – natürlich in einem sehr bestimmten, etwas eingeschränkten klanglichen Bereich – möglicherweise noch charaktervoller als der Jupiter-8. Rund um Arpeggio/Sequenzer-Pattern-Sounds, Standard-Lead-Lines und warme, zutiefst analoge Orgel- wie auch Streicherklänge erfüllt der Juno-60 alles, was man mit dem Schlagwort „klassischer Roland-Sound“ verbindet. Nils Frahm sei aktuell als besonders glühender Verehrer des Juno-60 (und seines Arpeggiators) zu nennen.

Fazit

Der Jupiter-8der Meister des Synthie-Pops – zählt nach wie vor zu den hellsten Sternen am Synthesizer-Himmel, vielleicht heute sogar mehr denn je. Einige wichtige Aspekte zeichnen das Instrument noch immer als Muster-Synthesizer aus: Die extrem hochwertige Verarbeitung (und die damit verbundene Zuverlässigkeit), das ausgewogene, zeitlos-moderne Design, der mächtige, druckvolle – wenn auch etwas „cleane“ – Analog-Klang.

Der Wert des Instruments am Gebrauchtmarkt ist unverändert hoch. Während 2019 Spitzenpreise von 12.000 bis 18.000 Euro für einen Jupiter-8 verlangt wurden, ist das Niveau im Frühjahr 2020 zunächst leicht gesunken, Ende 2020 jedoch wieder deutlich gestiegen. Nun – im Jahr 2022 – bewegen sich die Preise zwischen 20.000 und 35.000 Euro.

Roland Jupiter-8 Synthesizer

Roland Jupiter-8 Synthesizer auction

Ob man aktuell solche Preise zu zahlen bereit ist … und mit dem zwar kraftvollen, jedoch (im Vergleich zu anderen Vintage-Polyphon-Synthesizern) recht stimmstabilen Jupiter-8-Sound Vorlieb nimmt … oder ob man sich für ein anderes Instrument am Gebrauchtmarkt entscheidet … oder für einen neuen polyphonen Analogsynthesizer, diese Überlegungen bleiben ohne klare Empfehlung im Raum stehen.

Fest steht: Was anno 1981 als großer Fortschritt betrachtet wurde (die enorme Zuverlässigkeit des Instruments und die Stabilität des mächtigen Synthie-Pop-Klanges), muss anno 2022 nicht mehr unbedingt als erstrebenswertestes und „alleiniges“ Merkmal für die Auswahl eines Instruments gelten. Ganz im Gegenteil: Gerade jene Synthesizer mit konzeptionellen Besonderheiten (ausgefallene Modulations-Routings) und starken, zuweilen auch ungewollten Klang-Eigenheiten (spezielle Filter-Designs, temperamentvolle Oszillatoren, …) sind jene Synthesizer, die mehr und mehr ihre Stellung als „einzigartige“ Klang-Künstler erringen.

Ungeachtet dessen zählt der Jupiter-8 früher wie heute wie auch in Zukunft zur Riege der großen, klassischen polyphonen Analog-Synthesizer. Er klingt massiv, brachial, sehr warm und sieht selbst 40 Jahre nach seinem Erscheinen unwiderstehlich modern, optisch perfekt ausgewogen und – einfach gesagt – extrem gut aus.

Roland Jupiter-8 Synthesizer


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Nachtrag: Wen es interessiert – es wurden ca. 3300 Jupiter-8 hergestellt. Die Produktion startete im Februar 1981 mit Ser. No. 030100. Die höchste im Netz aufscheinende Ser. No ist 453338 – was dem Herstellungsdatum August 1984 entspricht. Wenig später wurde die Produktion des Jupiter-8 eingestellt.

Die letzten 400 Jupiter-8 (in der Literatur oftmals als „Jupiter-8a“ bezeichnet) verfügen über Werks-DCB, doch auch viele der „älteren“ Modelle wurden anno dazumal von Roland Werkstätten bzw. von Musikhäusern mit DCB-Nachrüstsätzen aufgerüstet. Mitte der 80er-Jahre brachten schließlich diverse Dritt-Anbieter (Groove / heute Kenton Electronics, EES, …) MIDI-Interfaces für den Jupiter-8 auf den Markt.


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Zu den Klangbeispielen: Zu hören ist ausschließlich der Roland Jupiter-8. Einzig das Klangbeispiel „The Roland Family“ (von Luis Debon) ist ein Mix-Soundfile, das Roland Jupiter-4, Jupiter-6, Jupiter-8, JD-800, VP-330, SH-101 und CR-78 zum Einsatz bringt.

Roland Jupiter-8

Klassischer Polyphoner Analog-Synthesizer
mit 8 Stimmen, Split-/Dual-Modus
und Arpeggiator

Links:
Vintage Synth Explorer
Tastronauten

Vergleich:
Testbericht Roland Juno-60
Testbericht Roland Jupiter-X

Testbericht Korg Trident
Testbericht Elka Synthex
Testbericht Oberheim OB-8
Testbericht Moog Memorymoog
Testbericht Sequential Prophet-5
Testbericht Yamaha CS-50/CS-60/CS-80

Open / Download:
Roland Jupiter-8 Front I (4500 x 3000px)
Roland Jupiter-8 Front II (4500 x 3000px)
Roland Jupiter-8 Rückseite (4500 x 3000px)

The Story of the Roland Jupiter-8 (by Johnny Morgan):

Kategorie 2017, Featured, Testberichte

“Es genügt, einen Ton schön zu spielen” sagte der Komponist Arvo Pärt im Jahre 2005. Diese Aussage ist ebenso einfach wie ich auch exzellent: Es braucht kein Meer an Tönen, denn entscheidend ist der Klang. Dass so mancher Vintage-Synthesizer der 70er und 80er Jahre teils unerreicht hochwertige Klänge liefert, steht außer Frage. Doch tatsächlich leben wir “heute” in einer nahezu perfekten Zeit. Einerseits hat man – mehr oder weniger – noch Zugriff auf die Vintage Analogen, andererseits wird auch bei Neugeräten die wichtige Komponente des hochwertigen Klanges wieder zunehmend berücksichtigt. Doepfer, Cwejman, Synthesizers.com, MacBeth, Moog, GRP, Studio Electronics, COTK, John Bowen und andere Hersteller bauen hervorragende Synthesizer, die den “Klassikern” in nichts nachstehen. All diesen (alten wie neuen) “großartigen” Instrumenten ist Great Synthesizers gewidmet. _________________________________________________________ In 2005 composer Arvo Pärt said: “Playing one tone really well is enough”. In other words, it is sufficient to play one tone 'beautifully'. I agree with that. All musical efforts are focused on the sound itself. Although I studied classical music (piano and drums), it’s the electronic sound that inspires me. Synthesizers are the epitome of new sounds and exciting tonal spheres. Today, many companies produce high-quality - excellent! - synthesizers: Doepfer, Cwejman, MacBeth, Moog, GRP, Synthesizers.com, COTK, Studio Electronics, John Bowen and others. It's their products I'm really interested in ... apart from Vintage Synthesizers, which I have been collecting for 20 years. Subsequent to our former websites Bluesynths and Blogasys, Peter Mahr and I have now created GreatSynthesizers. We hope you like it.

8 Kommentare

  1. Oh ja, der Jupiter-8… ich hatte ihn und das ist auch ganz gut so :)
    Der sound ist ohne Zweifel erhaben, ganz klar kein Prophet oder Oberheim – sprich, er klingt neutraler als die damalige amerikanische Konkurrenz und wurde wegen der Stabilität und des dual-Modus (Arpeggiator!) statt den US-Kollegen gerne live (vermehrt von Pop-Bands) eingesetzt (The Cars, Duran Duran, Talk Talk, Queen…).

    Genial fand ich ihn für perkussive sequencer-sounds, unisono-Bässe und… layer-sounds – aber gespielt mit einem expression-Pedal am VCF-Eingang. Den Filter per Fuß zu spielen beschert wahrhaft analoge Gänsehaut-Momente. Sehr mächtig und elegant machen diese klanggewaltigen Filterverläufe dem Mythos „Jupiter-8“ alle Ehre. Im non-velocity-Spektrum empfand ich ihn manchmal eher ’normal‘ – der Klang ist reichhaltig, aber wenig charaktervoll – daher lassen sich viele Klänge heutzutage mit Alternativen abdecken, natürlich ohne dem optischen und haptischen Erlebnis eines Jupiter-8.

  2. … und den Großteil der „magic sounds“ hörte ich im 12db-Filtermode …

  3. Rüdiger

    Kompliment und vielen Dank für diesen super tollen Artikel. Hier wurden mal ganz andere Informationen, die man so nicht im Web zu lesen bekommen hat, verarbeitet. Die Sound Beispiele sind erste Sahne.

  4. Martin

    Danke für den tollen Bericht. Minimaler Fehler: Die Pet Shop Boys waren 82′ noch gar nicht aktiv.

  5. Theo Bloderer

    … das Duo wurde 1981 in London gegründet :o)

  6. Blankowv

    Ach ja der Jupiter… Anbei paar tunes wo ich das schlachtschiff benutzt habe …

    (die Instagram-Links wurden inzwischen entfernt)

  7. Christian

    Von mir auch vielen Dank für den tollen Bericht. Hier wurde nicht nur nachgeplappert oder die Feature Liste abgeschrieben. Hier berichtet ein echter Kenner des Gerätes, der dieses keineswegs nur in den Himmel lobt, sondern mit einem umfassenden Überblick über den Synthesizermarkt dieses Gerät klar einzuordnen weiß. Die Soundbeispiele sind auch erste Sahne!

  8. Homer J. Simpson

    Ein (nicht nur) für die Blogosphäre selten inhaltsvoller und lehrreicher Artikel, sehr gut geschrieben und daher auch sehr gut lesbar. Danke!

    Was mich hier angespült hat war die Frage, wieviele JP-8(A) eigentlich produziert wurden, daß die Spekulationsblase so enorm an Volumen gewonnen hat. In meiner Erinnerung lagen die Dinger am Ende der DM-Zeit bei 2000DM oder so und ich war einigermaßen entsetzt als ich die aktuelle Preisentwicklung sah. Das war komplett an mir vorbei gegangen.

    Dabei ist es irgendwie logisch – so ein Jupi nimmt deutlich weniger Platz weg als ein derzeit ungeliebter Porsche und verspricht doch ähnliche Wertsteigerung und dieser Artikel erklärt sehr gut warum es ausgerechnet den Roland-Boliden so hart getroffen hat. Jemand aus Griechenland bietet auf Reverb.com gerade einen im Bundle mit MC-4 und Laufwerk-Gedöns für schlappe 49.000€ feil und japanische Händler haben sich auf ein Preisniveau im Bereich $35.000 geeinigt. Ein Memorymoog ist dagegen für lächerliche $12.000 zu haben, was nicht mal den inflationsbereinigten Neupreis deckt. Aber auch das wird sich wahrscheinlich ändern sobald auch der Rest der investitionsfreudigen Post-Boomer den Vintage-Synthesizermarkt für sich entdeckt hat. Immerhin kann man einen Jupiter nicht so leicht fälschen wie eine Chibson und man hat dann als spekulierender Nichtmusiker auch nicht solche nagenden Zweifel über die Echtheit der elektronischen Wertanlage.

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