NAMM Report 2016 – Teil 2

Während Teil 1 meines NAMM Reports vor allem auf Eurorack Module und spezielle Performance-Geräte eingeht, widmet sich Teil 2 nun den „großen“ Kalibern im Synthesizer-Business. Der große Knaller aus Europa war natürlich der MatrixBrute von Arturia. Als großer (sehr großer) Bruder des MiniBrute bzw. MicroBrute bietet er einen voll analogen Signalweg bei 3 VCOs, 2 VCFs (1 MultiMode Steiner Parker Filter, 1 Transistor Ladder LowPass Filter), der durch eine ebenso analoge Effektsektion aufgewertet wird (Delay, Chorus, Flanger, Hall).

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Das mono/duo/paraphone Klangmonster besticht optisch vor allem durch die markante Licht-Schalter-Matrix mit 64 beleuchteten Tastern. Komplexe Modulationen lassen sich hier eintippen, komplexe Sequenzen erstellen und vieles mehr.

Ich persönlich schätze den „Brute“ VCO sehr. Einerseits ein wenig limitiert, setzt er sich dennoch gegenüber anderen Oszillatoren wesentlich teurerer Hersteller klanglich sehr gut durch. 3 dieser Oszillatoren scheint mir vorweg schon sehr, sehr mächtig.

So wird der MatrixBrute wohl eben gewaltig klingen und zweifelsohne eine Vielzahl an neuen Features gegenüber seinen kleinen Brüdern mit sich bringen. Doch die Schattenseite der Medaille ist Arturia selbst. Das Unternehmen hat den Aspekt „Kundenservice“ mehr oder weniger komplett unter den Tisch fallen lassen.

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Ein schneller Streifzug durch diverse Online-Synth-Foren zeigt deutlich, dass das Web voll von Horrorgeschichten rund um Arturia Produkte ist. Geschichten von unzufriedenen Kunden, die Produkte im DOA (Dead On Arrival) Zustand bekamen oder deren Instrumente nach kürzester Zeit massivste Probleme aufwiesen. Auf Kundenanfragen wird seitens Arturia selten (oder gar nicht) gewantwortet, Hilfe sucht man bei Arturia meist vergeblich.

Von daher sei es ungeachtet der beeindruckenden MatrixBrute-Features gut zu überlegen, ob man 2000 USD in ein Instrument mit solchen Risikofaktoren investieren möchte …

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Nach Besuch bei Arturia geht es direkt zum – sagen wir mal – Erzrivalen des MatrixBrute, dem zweiten großen Highlight der NAMM 2016: Dem Oberheim (DSI) OB-6. Dave Smith Instruments hat die Musikwelt mit der Neuauflage eines polyphonen Oberheim-Klassikers absolut überrascht. Zugegeben war ich schon zuvor ein Anhänger von DSI und ganz speziell des Prophet-6, doch auch der OB-6 bezauberte und überzeugte mich sofort.

Kein Wunder, sind Prophet-6 und OB-6 doch optisch mehr oder weniger ident, und auch klanglich gleichermaßen massiv und – wenn auch natürlich unterschiedlich im Aufbau und Klang selbst – inspirierend. Das Zeitalter der NEUEN analogen Poly-Synthesizer scheint zu beginnen …

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Intern ist der OB-6 mit 12 SEM Oszillatoren bestückt. Zusammen mit dem klassischen Oberheim State Variable Filter und einer digitalen Nachbildung von Tom Oberheims klassischen Ring-Modulator, ist der Sound schlichtweg eine echte Waffe. Der OB-6 mutierte in wenigen Augeblicken zu meinem persönlichen „BEST IN SHOW“ Instrument der NAMM 2016.

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Und während mein Eindruck und meine persönliche Meinung wohl in der Weltgeschichte von geringem Einfluss sind (leider, leider), wurde – Wunder über Wunder – der OB-6 schließlich tatsächlich mit dem BEST IN SHOW Preis ausgezeichnet (was mich etwas mit Stolz erfüllte).

Noch heute klingelt der OB-6 Sound in meinen Ohren, ein Sound, der mich nach nur wenigen Minuten des Anspielens und Testens (in einer überfüllten Messehalle!) für immer überzeugen konnte. Ein zutiefst VINTAGE klingender Sound …

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Noch in den Spähren des OB-6 taumelnd, stolpere ich weiter zur Ecke von Marion Systems. Marion Systems ist der legale Sptzname von Tom Oberheim Designs, schließlich hat Tom seinen Oberheim-Namen ja an Gibson verkauft. Wie auch immer, ich war nicht wenig erstaunt, als hier Tom Oberheim selbst den Two Voice Pro Synthesizer – zusammen mit dem DSI Oberheim OB-6 – sowie den neuen Eurorack-Modulen auf Basis des Two-Voice Pro vorstellte. Zur Seite standen ihm seine wunderbare Frau Jill sowie Töchterchen Emily Marion Oberheim, die Namenspatronin von Marion Systems.

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Es ist anzunehmen, dass die meisten Greatsynthesizers.com Leser mit dem Konzept des Two Voice Pro vertraut sind. Dennoch kurz die Erinnerung, dass dies ein SAURIER von einem Instrument ist. Es ist DER Synthesizer, wenn es um rau, kraftvolle, zutiefst analoge Sounds geht. Zumindest für jene, die die 3500 USD (in Europa: ca. 4000 Euro!) bezahlen können. Doch für alle anderen gibt es noch eine sehr schlaue (neue) Lösung: den schon angedeuteten SEM Plus mit Mini Sequencer im Eurorack-Format. Wenn „das“ keine schlaue Lösung (was dann)? Man gebe 2 dieser Racks Seite an Seite und hat den Monster-Two Voice mit doppeltem Sequenzer. Ein Analog-Traum wird wahr …

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Weiter über die schönen Oberheim-Module grübelnd, komme ich zu einem weiteren klassischen Synthesizer-Hersteller. Vielleicht nicht „ganz so“ geschichtsträchtig wie Oberheim, ist Waldorf sicherlich einer der hoch angesehensten Namen im Synthesizer-Geschäft. Ihr neues KB37 Controller Keyboard wurde ja schon einem Blog kurz vorgestellt. Das schlanke (und elegante) Keyboard mit Chassis für 100HP Modulbreite überzeugt sofort. Während (zugegeben) die Idee eines Eurorack-Keyboardes an sich ja nicht neu ist, bietet das Waldorf KB37 unzählige Features, die die Konkurrenz in dieser Gesamtheit nicht zu bieten hat (Fatar Tastatur, Velocity, Aftertouch, Pitchbender, ModWheel, MIDI-CV Interface, …).

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Neben der Tastatur ist natürlich vor allem der Inhalt besonders interessant. Waldorf hat ja das Konzept mit einer kompletten Modulreihe abgerundet. Neben dem bereits vorgestelltene NW1 Wavetable Oszillator ist eine ganze Reihe an Modulen (VCA, LFOs, Kompressor, …) hinzugekommen. Was mich am NW1 so erstaunt, ist seine Leistungsfähigkeit (bei einem 300+ Euro Modul) – immerhin bekommt man die Wavetables des MicroWave und Wave hier ins Eurorack – Instrumenten also, die selbst heute noch teuer und gesucht sind.

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So gesehen ist der NW ein Schnäppchen, in Anbetracht dessen, was man „klanglich“ dafür bekommt …

Während die neuen Produkte von Waldorf mich fast nicht losließen, ging ich erwartungsvoll eine Ecke weiter zu Modal Electronics (hier unter dem Namen Modulus auf der NAMM). Der schon am Markt befindliche 002 Synthesizer dürfte mit seinen 12 Stimmen und der digital/analogen Klangarchitektur jedenfalls ein dicker Konkurrent zum DSI Prophet-12 werden.

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Um die mittlere Preisklasse ein wenig mit ins Boot zu holen, bietet Modulus demnächst den wunderschönen 008 Synthesizer an – ein Exemplar war jedenfalls auf ihrem Stand zu finden.

Der 008 ist ein Pracht-Instrument. Schlanker, schwarzer Metallrahmen mit schwarzen Knöpfen (alles sehr edel) samt 8-stimmiger Klangerzeugung im Inneren. Eine Klangerzeugung, die sofort zum Spielen animiert. Der 008 bietet 2 Oszillatoren und einen Sub-Oszillator pro Stimme und könnte somit wiederum der dicke Konkurrent zum neuen OB-6 werden. Die analoge Klangerzeugung des 008 wird durch eine digitale Modulationsmatrix ergänzt (womit jedenfalls eine Abgrenzung hin zum Oberheim-Konzept gegeben ist).

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Schließlich sei noch das 16-fache (!) MultiMode Filter des 008 erwähnt, das diesen Monster-Synthesizer auszeichnet.

Ein weiteres Highlight am Modulus-Stand waren die Eurorack-Module. Module, die auf Oszillatoren und Filter des 002 und 008 Synthesizers aufbauen. So werden wohl auch Nicht-Keyboarder (Modular-Freaks, mit anderen Worten) in den Genuss der Modulus-Welten kommen. Und das zu einem sehr gnädigen Preis natürlich, denn schießlich kostet das Flaggschiff der Keyboard-Serie (der 002) ganze 5000 USD!

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Nun, keine NAMM Show und kein NAMM Bericht ohne Buchla. Zugegeben, ich bin ein echter Buchla-Fan. Ganz einfach, weil Buchla „individuell“ ist !!! Jeder andere Hersteller kopiert, klont, imitiert (alle kochen mit demselben Wasser), doch BUCHLA ist und war schon immer BUCHLA. Mein süchtiges Auge viel sofort auf das 200e Skylab System. Schön, schön, schön!

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Buchla ist nicht nur einfach „anders“, Buchla kann irgendwie alles. Gewöhnliche Mainstream-Aufgaben werden von diesen System ebenso gelöst wie – selbstredend – schrägste Anforderungen und wüsteste Klangverschachtelungen. Was jedoch bei Buchla eindeutig und immer passiert: Man wird als Benutzer zu NEUEN Dingen inspiriert, da das Konzept von BUCHLA eben anders ist, die Herangeshensweise „nicht“ dem üblichen Standard und den üblichen Logiken folgt. Als letztes Highlight sei hier noch der 252e Polyphonic Rhythm Generator genannt, ein brillianter Sequencer mit einem Touch-Interface, das sehr wohl einem Sience-Fiction Film entsprungen sein dürfte …

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(c) Nero Bellum – Facebook.com/SaintBellum

1 Kommentare

  1. Hans Laubreiter

    Vielen Dank für die beiden tollen Messe-Berichte! Was für ein „Neujahr“ in Sachen Synthesizer – auf jeden Fall ein teures und dann kommt ja noch Frankfurt.. (Behringer-synth..??). Oberheim, Sequential, Moog, (K)Arp,.. – schön, dieses revival diesmal live miterleben zu dürfen. But… it’s all about music – it’s just more fun with beautiful, inspiring instruments ;)

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